Dunkle Flut
einfach nicht im Stich lassen. Das steckte nicht in ihm. Damals, in den Trümmern der Redoute, war er selbst ein verletzliches Kind gewesen. Skywalker und Mara Jade hätten ihn und die anderen zurücklassen können, aber das hatten sie nicht getan. Sie hatten sie alle gerettet. Er würde das Mädchen nicht im Stich lassen. Was auch immer der Umbaraner mit Khedryn und den Klonen vorhatte, es war nichts Gutes. Es hätte ihm nicht das Geringste ausgemacht, die anderen Klone ihrem Schicksal zu überlassen, aber nicht das kleine Mädchen. Der verdammte Jedi färbte auf ihn ab.
Schweiß machte den Griff des Werkzeugmessers schlüpfrig. Er versuchte, seine Atmung zu kontrollieren, als er sich so leise, wie er konnte, durch die dunklen Gänge des Schiffs bewegte. Von Zeit zu Zeit lauschte er, hörte jedoch nichts. Tatsächlich rechnete er auch nicht damit. Der Umbaraner bewegte sich lautlos und verschmolz so gut mit den Schatten wie jemand in einem Tarnanzug.
Er brauchte ein wenig Glück. Er zog sein letztes Stück KauStim aus seiner Hosentasche, wickelte es aus und schob es sich in den Mund. Sein ganzes Leben lang hatte er Pech gehabt. Er blies mit dem KauStim eine Blase und ließ sie leise platzen. Aber wenn er eines war, dann dickköpfig.
Die Medikamente hatten Jägerin wieder zu Sinnen kommen lassen. Sie erinnerte sich an nahezu nichts von dem, was passiert war, seit sie den Eismond verlassen hatten. Sie war im Cockpit eines anderen gestohlenen Schiffs zu sich gekommen, die Sterne groß, dunkel und tief.
Die Kraft in ihr stieg an und ebbte wieder ab wie Ausbrüche elektrischer Strömungen. Ihre Emotionen schwankten zwischen kontrollierter Ekstase und im Zaum gehaltenem Zorn. Ihre Verbindung zur Macht fühlte sich stärker an, tiefgreifender, als sie es in der Vergangenheit jemals gewesen war. Sie nahm an, dass dies die Folge ihrer engeren Bindung zu Mutter war. Noch nie zuvor hatte sie ein solches Potenzial in sich selbst gespürt.
Sie wünschte, Alpha hätte überlebt, aber sie verstand, warum er das nicht getan hatte – er hatte Mutters Prüfung nicht bestanden, war dem Jedi unterlegen.
So sagte es Seherin, und Seherin sprach die Wahrheit. Und Seherin hatte auch gesagt, dass sie Mutter bald begegnen würden. Jägerin freute sich auf diesen Moment.
Sie ging durch den vorderen Bereich des Versorgungsschiffs und fuhr mit einem Turbolift hinunter in den Bauch. Die Türen öffneten sich zu einem langen Korridor, der bloß von der Notbeleuchtung an der Decke erhellt wurde. Sie aktivierte das Komlink im Lift und sagte: »Das Licht hier unten ist aus.« Kein Signal. Das Kom war ebenfalls tot. »Anmut«, rief sie. Keine Antwort.
Sie trat in den Gang hinaus, und die Aufzugtür schloss sich hinter ihr. Sofort hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Da war ein Druck in der Luft, eine Spannung. Sie war von den Ärzten gezüchtet worden, um Beute nachzustellen, und sie hatte gelernt, auf ihre Instinkte zu vertrauen.
Ihre Aufregung sorgte dafür, dass an den Enden ihrer Fingerkuppen Energie knisterte. Sie nahm den schlanken, geschwungenen Griff ihres Lichtschwerts in die Hand, aktivierte die Klinge aber nicht. Sie beruhigte ihren Atem und lauschte, hörte jedoch nichts. »Läufer?«, rief sie.
Sie wartete, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, ehe sie zu einer Seite des Korridors huschte, wo die Wand ihre Flanke schützen würde, und setzte sich in Bewegung. Sie eilte lautlos dahin, eine Jägerin, die unbekannte Beute jagte. Mit jedem Schritt, den sie tat, wuchs ihre Gewissheit, dass Läufer etwas zugestoßen war.
Hatten sie einen blinden Passagier? War der Jedi von dem Mond irgendwie an Bord gelangt? Mit ihren genetisch modifizierten Sinnen registrierte sie den schwachen Kupfergeruch von Blut in der Luft. Sie folgte dem Geruch, arbeitete sich langsam vor, wachsam auf jedes Geräusch abgesehen vom gewöhnlichen Brummen der Schiffstriebwerke horchend.
Weiter vorn lag eine zusammengekrümmte Gestalt im Korridor. Sie musterte sie mehrere Sekunden lang argwöhnisch. Keine Bewegung, kein Laut, abgesehen von ihrem eigenen, gleichmäßigen Atem.
Die Dunkelheit machte es schwierig, etwas zu sehen, aber der Körper war zu groß, um Anmut zu gehören. Als sie sich ihm näherte, bemerkte sie den langen, zerlumpten Umhang, den Läufer so mochte, und die Stiefel.
»Läufer«, sagte sie im Flüsterton. Der Körper regte sich nicht. Sie traf eine Entscheidung, schoss nach vorn und kniete daneben
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