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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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leuchtete mir die Taschenlampe ins Gesicht.
    »Was zum …?«, stieß er hervor; er klang verwirrt und unglücklich und nicht einmal annähernd so ängstlich, wie er hätte sein müssen. »Scheiße, wer bist du?«
    Ich konnte ihm nicht antworten; ich wusste es selbst kaum. Alles, was ich wusste, war, dass einer von uns sich zusammenreißen musste.
    »Nimm mir diese Dinger ab! Wir müssen hier weg«, sagte ich. »Bitte sag mir, dass du bewaffnet bist.«
    »Sie ist bewaffnet«, sagte Joanna. »Die andere. Sie hat eine Pistole. So hat sie mich hergebracht.«.
    Mark trat vor, und Joanna, die sich an ihm festkrallte, kam mit. Als sie mich erreichten, schob er sie sanft weg und gab ihr die Taschenlampe. Dann fand er den Handschellenschlüssel in seiner Tasche. »Wenn du irgendwas Krummes versuchst, bringe ich dich um«, brummte er, bevor die Handschellen aufsprangen.
    »Sie wartet bestimmt an der Treppe.« Ich entdeckte meine eigene Taschenlampe und griff hastig danach. »Wenn sie nichts gehört hat, können wir auf demselben Weg raus, auf dem wir reingekommen sind.«
    »Wer?«, wollte er wissen. »Wer ist sie?«
    Ich packte ihn am Arm, zwang ihn, mich anzusehen. »Wenn sie auftaucht«, sagte ich, »dann wird sie es auf dich abgesehen haben. Mich und Joanna wird sie lebend haben wollen. Dich wird sie so schnell wie möglich aus dem Weg räumen wollen.«
    »Verstanden. Los jetzt.«
    Wir eilten durch den Kesselraum, ich voraus, Joanna hinter mir und Joesbury als Letzter. Am Eingang zur Galerie leuchtete ich mit der Taschenlampe durch die dunkle Leere. Das gewaltige Gewölbe hatte jetzt, wo ich es sehen konnte, fast etwas von einer Kathedrale. Mächtige Backsteinbögen zogen sich über die ganze Länge des Gebäudes, jede ihrer Einzelheiten spiegelte sich in dem Wasser, das den unteren Teil vollständig bedeckte. Ich wandte mich wieder an Mark.
    »Wenn wir hier auf die andere Seite rüberkommen, haben wir eine gute Chance«, sagte ich. »Du solltest in der Mitte sein.«
    Er schüttelte den Kopf. »Geh weiter«, wies er mich an.
    Ich tat es. Nicht viel mehr als dreißig Meter, und wir würden wieder im Pferdetunnel sein. Dort hatte das Funkgerät vielleicht Empfang. Wir waren kaum ein paar Meter weit gekommen, als Musik ertönte. My Favorite Things.
    Zuerst lief Joanna in mich hinein, dann Mark.
    »Wo kommt das her?«, fragte jemand. Ich glaube, das war wohl ich. Keiner von den beiden anderen würde die Bedeutung dieses Liedes kennen. Die Musik war bedrohlich leise, hallte aber nichtsdestotrotz von den Wänden und Säulen wider. Fast hätte ich glauben können, dass sie in meinem eigenen verängstigten Verstand spielte. Mark schickte seinen Taschenlampenstrahl durch das ganze Gewölbe, doch es war riesig. »Hinter uns, glaube ich«, sagte er halblaut, gerade als die Musik verstummte und eine Frauenstimme ihren Platz einnahm.
    »Hallo, Lacey«, sagte sie. »Ist lange her.«
    Die Welt schien einen Augenblick lang still zu stehen. Also war es vorbei. Ich sah, wie der Strahl von Marks Taschenlampe über das Gewölbe zuckte. Dann blieb er an einem Punkt auf der Galerie gegenüber hängen, vielleicht fünfundzwanzig Meter von dort entfernt, wo wir standen.
    »Ich dachte schon, du kommst nicht.« Wieder zerschnitt die Stimme die Finsternis, eine Sekunde, bevor Marks Lampe sie fand. In dem Lichtstrahl sahen wir eine schlanke Frau Mitte zwanzig, mit dem hübschesten Gesicht, das ich wohl jemals gesehen habe. Ihr Haar war kinnlang und leuchtend blond; das kurze schwarze Haar, von dem wir so viel gehört hatten, war offensichtlich eine Perücke gewesen. Die Augen würden blau sein, wenn ich erst nahe genug war, um sie richtig zu sehen, mit winzigen grünbraunen Punkten darin. Ich kannte dieses Gesicht fast ebenso gut wie mein eigenes.
    Neben mir hörte ich, wie Mark einen leisen Zischlaut von sich gab, als er Luft zwischen den Zähnen hindurchsog. »Ist sie das?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete ich, ohne den Blick von ihr zu wenden. »Das ist Llewellyn.«
    »Ich bin ihr schon mal begegnet«, hauchte er. »Das ist Geraldine Jones’ Au-pair-Mädchen. Stenning war sogar mal mit ihr was trinken.«
    Jetzt sah sie mich an, nur mich. »Raindrops and Roses«, sang sie. »Weißt du noch, Lacey? Das Spiel, das wir immer gespielt haben?« Dann verzog sich dieses süße Gesicht zu einem Lächeln. Sie sah völlig entspannt aus, vielleicht ein wenig überrascht, als wären wir alte Freunde, die sie zufällig auf einer Party getroffen hatte. Ihre

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