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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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rechte Arm auf den Rücken gedreht wurde, »ich verhafte Sie wegen der Entführung von Joanna Groves und wegen Mordes an Geraldine Jones, Amanda Weston, Charlotte Benn und Karen Curtis.«

92
    Joesbury hielt mich nur mit einem Arm fest. Es gelang mir, mich loszureißen; ich stolperte davon und drehte mich zu ihm um. Die Situation, von der ich nie geglaubt hätte, dass sie noch schlimmer werden könnte, war gerade endgültig zum Horror geworden, und was aus meinem Mund kam, war nicht viel mehr als ein Jammerlaut.
    »Mark, nein –«
    »Sie haben das Recht zu schweigen …« Mit der Taschenlampe in der Hand kam Joesbury auf mich zu. Seine Stimme war viel zu laut.
    »Raus hier, Mark, sofort!«
    »Aber es könnte sich nachteilig auf Ihre Verteidigung auswirken …«
    Hörte ich noch etwas anderes? Schritte? »Mark, hören Sie, Sie haben keine Ahnung –«
    »… wenn Sie auf Befragen etwas verschweigen, worauf Sie sich später …«
    Ich tappte rückwärts.
    »… vor Gericht berufen wollen. Alles, was Sie sagen, kann bei der Beweisführung verwendet werden.«
    »Hören Sie auf!«
    »Hinlegen.«
    Ich machte noch einen Schritt von ihm fort. »Mark, ich flehe Sie an –«
    »Runter auf den Boden, sofort!«
    Verzweifelt blickte ich mich um. Seine Taschenlampe war stark, aber es gab hier immer noch zu viele Schatten.
    »Ich sag’s nicht noch einmal.«
    Ich sank auf die Knie. »Mark, bitte, geben Sie mir nur –«
    »Ich will’s nicht hören, Flint«, fuhr er mir über den Mund, kauerte sich hinter mir nieder und drückte mich flach auf den Boden. Dann packte er erst meine eine und dann meine andere Hand, viel gröber als notwendig war. »Und ich muss wirklich aufhören, Sie so zu nennen«, fuhr er fort. Dann beugte er sich vor, drückte mich fester auf den Beton, schrammte mein Gesicht gegen die raue Oberfläche. »Ich bin dir den ganzen Tag gefolgt, du blödes Miststück«, spie er mir halb ins Ohr. »Ich habe gewusst, wo du warst, seit du heute Morgen abgehauen bist. Und weißt du was, ich wollte dir wirklich einen Vertrauensbonus geben. Ich habe stundenlang darauf gewartet, dass diese andere auftaucht, aber das war alles bloß Bockmist, stimmt’s? Es warst immer nur du.«
    Er ließ mich so liegen, mit dem Gesicht nach unten auf dem Beton. Einen Moment lang konnte ich mich nicht rühren. Dann kämpfte ich mich auf die Knie hoch. Die Handschellen hinter meinem Rücken saßen eng. Joesbury war wieder auf den Beinen, ging quer durch den dunklen Raum dorthin, wo Joanna lag und hinter ihrer Maske aus Klebeband vor sich hin wimmerte. Er hielt die Taschenlampe in der einen und das Funkgerät in der anderen Hand. Ich sah zu, wie er versuchte, die Zentrale zu erreichen, betete, dass es ihm gelingen möge. Hilfe war das, was wir jetzt brauchten; was mit mir passierte, spielte keine Rolle mehr für mich. Scheiße, ich war wahrscheinlich die Einzige von uns dreien, die nicht Sekunden vom Tod entfernt war.
    Joesbury fluchte ins Funkgerät und steckte es wieder ein. Wir waren zu tief unter der Erde. Er beugte sich über Joanna und sprach leise auf sie ein.
    »Jetzt wird alles gut, Liebes«, versicherte er. »Ganz ruhig, hier, lassen Sie mich das abmachen.«
    Noch mehr Gewimmer von Joanna. Und ein scharfer Schmerzensschrei, als das Klebeband von ihrem Mund abgelöst wurde. Mit einem kleinen Messer, das meinem nicht unähnlich war, zerschnitt Joesbury das Klebeband um ihre Knöchel und Handgelenke. »Wir müssen Sie hier rausschaffen«, sagte er. »Können Sie laufen?«
    Damit erhob er sich und zog sie auf die Füße. Einen Moment lang lehnte sie sich an ihn, dann packte sie seinen Arm und richtete die Taschenlampe wieder auf mich, so dass ich vollkommen geblendet war.
    »Das ist sie nicht«, hörte ich sie sagen. »Das ist nicht die Frau, die mich hierhergebracht hat.«
    Der Taschenlampenstrahl verschwand. Ich blinzelte heftig und konnte sie wieder erkennen. Joanna hielt sich mit beiden Händen an Joesbury fest, ihr Blick huschte von ihm zu mir.
    »Hier ist noch jemand anderes«, stieß sie hervor. »Sie kommt bestimmt gleich zurück. Sie geht nie weit weg.«
    Sie brachte es nicht über sich, sich von Joesbury zu lösen. Wie ein Kind, das sich an einen Erwachsenen klammert. Ein Kind, das sich vor Ungeheuern fürchtet. Mark sah aus, als hätte er sie nicht verstanden. Auf jeden Fall reagierte er nicht schnell genug.
    »Nehmen Sie mir die Dinger ab«, sagte ich zu ihm, drehte mich halb um und hob meine gefesselten Handgelenke. Wieder

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