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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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tiefer ich in die Tunnel vordrang, desto mehr wurden alle Geräusche auf unnatürliche Weise verzerrt. Das stetige Tropfen von Wasser, das Rascheln von Ratten im Müll. Wie Müll hier hereingekommen war, wusste ich nicht, aber es war so. Ich kam an Plastiktüten vorbei, an Essensresten, an einer toten Katze, Kleidungsstücken, sogar an einem Campingstuhl. Mit jedem Schritt wurden die Geräusche von der Straße draußen schwächer, bis nur noch das Tappen meiner Füße zu hören war, die leise über den kopfsteingepflasterten Boden quatschten.
    Alle paar Schritte kam ich an breiten Gewölbepfeilern vorbei; hinter jedem davon konnte jemand lauern. Ich leuchtete mit der Taschenlampe voraus und war so leise wie möglich, hielt Ausschau nach Schatten, die nicht meine waren, lauschte auf Geräusche, die nicht von mir verursacht wurden.
    Nach ein paar Minuten ragte die nordwestliche Wand vor mir auf, und ich konnte die schwarze Höhle erkennen, die den Eingang zum Pferdetunnel bildete. Wenn mich meine Erinnerung nicht trog, musste ich diesem ein kurzes Stück weit folgen, ehe er in den Keller des alten Güterschuppens mündete.
    Im Tunnel kam man leichter voran als in dem riesigen unterirdischen Gewölbe. Zum einen gab es keinerlei Zweifel, wohin man gehen musste. Zum anderen kam hier ein wenig Licht durch die Lüftungsschlitze in der Decke. Ehe mehr als ein paar Sekunden verstrichen waren, befand ich mich in dem Keller unter dem ehemaligen Güterschuppen.
    Der halbe Weg war geschafft.
    Ich ging weiter, durch Wasserpfützen, die wie Schleim aussahen, an gewölbten Durchgängen vorüber und um hohe, vernietete Eisensäulen herum. Fast hätte ich laut aufgeschrien, als etwas dicht an meinem Ohr vorbeiflatterte, doch ich schaffte es, mich zu beherrschen. Ich hatte das andere Ende des Kellers beinahe erreicht, als ich etwas hörte, wogegen ich mich nicht wappnen und es auch nicht ignorieren konnte. Eine Männerstimme.

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    Instinktiv knipste ich die Taschenlampe aus. Der Stimme folgte ein Knistern, als würde Papier zerrissen. Oder wie das Knistern eines Polizeifunkgerätes. Unmöglich. Sie konnten nicht wissen, dass ich hier war. Ich hatte irgendetwas oben auf der Straße gehört, das war alles, ein Geräusch, das durch einen der Lüftungsschlitze hier heruntergedrungen war.
    Hier gab es gar keine Lüftungsschlitze. Ich durchquerte gerade den Keller, die Lüftungsschlitze befanden sich in den Pferdetunneln.
    Herrgott noch mal, ich war doch dermaßen vorsichtig gewesen, es war völlig ausgeschlossen, dass das MIT mich gefunden haben konnte. Die ganzen Peilsender und all das Zeug, das Joesbury mir gegeben hatte, waren damals draufgegangen, als ich in den Fluss gestürzt war, nichts davon hatte er ersetzt.
    Bis auf das Handy.
    Nur die wachsende Überzeugung, dass jemand nahe genug war, um mich zu hören, hinderte mich daran, laut aufzustöhnen. Ich hatte noch im Krankenhaus ein neues Handy bekommen, von der Spezialabteilung von Scotland Yard. Ich hatte das Ding den größten Teil des Tages ausgeschaltet gelassen, weil ich gedacht hatte, ein Handy müsste an sein, um geortet werden zu können. Und wenn Joesbury nun irgendeinen Peilsender in meins eingebaut hatte, der ständig aktiv war, ob das Telefon nun angeschaltet war oder nicht?
    Behutsam zog ich es aus der Tasche. Noch während ich das tat, verschwanden jegliche Zweifel, an die ich mich vielleicht noch klammerte. In nicht allzu großer Entfernung hörte ich, wie jemand in Wasser trat.
    Das MIT hatte gar nicht nach mir zu fahnden brauchen. Sie hatten genau gewusst, wo ich war, wahrscheinlich von dem Augenblick an, als ich aus Joesburys Auto gestiegen war. Sie hatten mich beobachtet und darauf gewartet, dass ich sie hierherführte.
    Fast hätte ich hier und jetzt aufgegeben, hätte beinahe die Taschenlampe angemacht und nach ihnen gerufen. Doch irgendetwas hielt mich zurück. Noch war es nicht vorbei.
    Ich war an der südlichen Wand des Güterschuppenkellers entlanggegangen. Wenn ich die Hand ausstreckte, könnte ich sie berühren. Lautlos bückte ich mich und legte Joesburys verräterisches Handy an der Mauer ab. Dann machte ich mich wieder auf den Weg und strich dabei mit den Fingerspitzen der einen Hand an der Kellerwand entlang. Nach ein paar weiteren Minuten erreichte ich die Ecke. Dank eines gewaltigen Glücksfalls fanden meine Finger das Loch in der Wand, durch das ich in den westlichen Pferdetunnel gelangen würde. Ich riskierte weniger als eine Sekunde lang die

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