Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
hatte er zwei Burschen beobachtet, die einen Mann, der auf dem Boden lag, zu Brei traten. Manchmal, wenn der Verdruss groß genug war, konnte es in seinem Kopf Klick machen, wie bei einem kleinen Zahnrad, das in Bewegung gerät, und er verwandelte sich in einen Wirbelwind aus Fäusten und Stiefeln. In diesem Fall hätte ihn das Klick durchaus veranlassen können, den beiden Burschen zu Hilfe zu eilen, nur damit er seinen Zorn loswurde. Aber aus irgendeinem Grund rollte das Zahnrad zur anderen Seite, dem Gedanken entgegen, dass zwei Burschen, die einen stöhnenden alten Knacker zusammentraten, elende Drecksäcke waren, die eine Abreibung verdienten. Und so war er losgelaufen und hatte es ihnen gezeigt, aber ordentlich, er hatte getreten und geschlagen, bis sie klein beigaben und wegliefen, und er war zu erschöpft gewesen, um sie zu verfolgen.
Solcher Wahn entstand aus Enttäuschung und Hunger, obwohl Solomon behauptete, die Hand Gottes stecke dahinter, was Dodger für recht unwahrscheinlich hielt, da man Gott in diesen Straßen nicht sehr häufig antraf. Anschließend hatte er dem Alten nach Hause geholfen, obwohl er ein Ikey Mo war, ein Jude, und Solomon hatte etwas von seiner Suppe erhitzt und ihm überschwänglich gedankt. Da der alte Knabe ganz allein lebte und etwas Platz in seiner Mansarde hatte, bot er Dodger an, bei ihm unterzukommen. Dodger erledigte das eine oder andere für ihn, besorgte Feuerholz und stibitzte Kohle von einem der Themsekähne, wenn sich Gelegenheit bot. Dafür gab ihm Solomon zu essen, wobei er oft kochte, was Dodger irgendwo aufgetrieben hatte – seine Mahlzeiten schmeckten besser als alles, was Dodger in seinem bisherigen Leben gegessen hatte.
Er erzielte auch viel höhere Preise für die Waren, die Dodger vom Toshen heimbrachte. Der Nachteil bestand darin, dass der alte Jude immer, immer fragte, ob die betreffenden Gegenstände gefunden oder gestohlen waren. Oh, mit Fundstücken aus der Kanalisation war meistens alles in Ordnung, das wusste jeder. Es handelte sich um Verlorenes und Weggeworfenes, um Gegenstände, die sich anschickten, die Welt der Menschen zu verlassen und zum Meer zu schwimmen. Tosher zählten natürlich nicht als Menschen – auch das wusste jeder. Aber in jenen Tagen hatte sich Dodger durchaus zum einen oder anderen Diebstahl und zu gelegentlichen krummen Geschäften hinreißen lassen. Er hatte Dinge beschafft, die äußerst fragwürdig und keineswegs koscher gewesen waren, wie sich Solomon ausdrückte.
Wenn der alte Bursche fragte, ob der Kram vom Toshen stamme, sagte Dodger immer Ja, doch so, wie ihn Solomon ansah … Wahrscheinlich wusste er, dass er nicht die Wahrheit sagte. Seine Augen schienen mehr zu sehen, als sie eigentlich sehen sollten, und zu wissen, wo sich die Wahrheit verbarg. Er nahm die Sachen trotzdem entgegen, aber nachher ging es in der Mansarde eine Zeit lang recht kühl zu.
Deshalb klaute Dodger inzwischen nur noch Dinge, die man verbrennen, trinken oder essen konnte, zum Beispiel Ware von Marktbuden und andere tief hängende Früchte. Daraufhin verbesserte sich das Klima, und außerdem: Drüben in der Synagoge las Solomon die Zeitung, und manchmal enthielt die Verloren-und-gefunden- Rubrik Suchanzeigen von Leuten, die ihren Hochzeitsring oder anderen Schmuck verloren hatten. Hochzeitsringe waren von besonderer Bedeutung, denn sie besaßen einen Wert, der über den des Golds hinausging. Oft stand das magische Wort Finderlohn in den entsprechenden Inseraten. Mit gewissem Verhandlungsgeschick, meinte Solomon, konnte man mehr dafür bekommen als von einem Hehler. Hinzu kam, dass man solche Stücke zu keinem Juwelier bringen konnte, der koscher war, denn solche Leute hetzten einem die Polizei selbst dann auf den Hals, wenn man den Ring nur gefunden und nicht gestohlen hatte. Manchmal sei Ehrlichkeit sich selbst ihr Preis, sagte Solomon, aber Dodger fand, in Barem hätte sie sich vorteilhafter ausgedrückt.
Geld oder nicht, Dodger hatte sich damals besser gefühlt, als er in der Lage gewesen war, irgendwelchen Leuten die geliebte Halskette, einen Ring oder irgendein anderes Schmuckstück zurückzugeben, das sie sehr lieb gewonnen hatten. Dadurch fühlte er sich eine Zeit lang wie im siebten Himmel, und weiter konnte man von den Abwasserkanälen kaum entfernt sein.
Einmal, nach einem Kuss von einer Dame, die erst vor Kurzem eine glückliche Braut gewesen war und deren Hochzeitsring sich unglücklicherweise von ihrem Finger gelöst hatte,
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