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Dunkle Halunken: Roman (German Edition)

Dunkle Halunken: Roman (German Edition)

Titel: Dunkle Halunken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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viele Geschichten über sie, und eine davon lautete, dass sie einmal eine berühmte Schauspielerin irgendwo im Franzmannland gewesen war, und tatsächlich, selbst heute umgab sie noch etwas Feenhaftes. Sie war angeblich mit einem Soldaten verheiratet gewesen, der in irgendeinem Krieg gefallen war, aber glücklicherweise erst nachdem er ihr zugeflüstert hatte, wo die bei den vielen Feldzügen zusammengeraffte Beute versteckt lag.
    Als eine der Guten und Anständigen – trotz ihrer Ehe mit einem Franzmann – hatte sie diese Bude eingerichtet, eine von denen, denen man trauen konnte. Mit anderen Worten: Man konnte davon ausgehen, dass die Suppe kein Rattenfleisch enthielt, auch nichts Schlimmeres als Rattenfleisch. Man durfte auch darauf vertrauen, dass Marie Jo keine Suppe austeilte, die mit Bestandteilen von Katzen und Hunden gekocht worden war. Nein, ihre Suppe war voller Linsen und anderer Zutaten, die nicht alle lecker schmeckten, aber zusammen genommen taten sie gut und hielten warm. Zugegeben, manchmal kam ein bisschen was vom Pferd hinein, das war nun mal der Geschmack der Franzmänner und bedeutete eigentlich nur, dass man eine etwas nahrhaftere Suppe aß. Man munkelte, dass selbst einige der großen Speiselokale Marie Jo ihre Reste überließen, in dem Wissen, dass sie in ihrer Bude Verwendung fanden. Die Leute sagten, dass sie mit ihrem französisch angehauchten Charme die Chefköche feiner Restaurants um den Finger wickelte, aber alle sagten »Gut gemacht«, denn alles landete in dem großen Topf, der die ganze Nacht umgerührt wurde, wobei Marie Jo nur innehielt, um den Teller des nächsten Kunden zu füllen. Und man bezahlte, was man ihrer Meinung nach bezahlen sollte, und niemand wagte zu feilschen, denn keiner wollte, dass sie entrüstet mit ihrer Schöpfkelle winkte.
    Als Dodger mit den beiden Kindern bei ihr erschien, musterte sie ihn und sagte: »Na, so was, sind wir plötzlich zu Geld gekommen, wem hast du es gestohlen?« Aber sie lachte, denn sie beide erinnerten sich daran, dass vor Jahren, als ihr Haar nicht so weiß gewesen war, ein kleiner Dodger mit ausgestreckter Hand vor ihrer Bude gestanden hatte, so traurig und hoffnungsvoll wie die Kinder, die er mitgebracht hatte.
    »Nichts für mich, Marie Jo«, sagte er. »Aber bitte gib den beiden heute und morgen für einen Sixpence zu essen, ja?«
    Der Ausdruck ihres Gesichts war seltsam. Wie die Suppe, die sie verkaufte, enthielt er von allem etwas, aber der größte Teil bestand aus Überraschung. Doch dies war die Straße, und sie sagte: »Lass mich deine Sixpence sehen, junger Dodger!« Er klatschte die Münzen auf den Tresen, wo Marie Jo sie betrachtete, ihn wieder musterte und ihren Blick auf die beiden Kinder richtete, die fast sabberten, so groß war ihre freudige Erwartung. Dann sah sie erneut Dodger an, der verlegen errötet war, und sagte leise: »Meine Güte, da liegt das Geld, kein Zweifel, und was tue ich jetzt?« Dann schuf ein großes Lächeln noch mehr Falten in ihrem Gesicht, und sie fügte hinzu: »Für dich, Dodger, gebe ich diesen beiden Schlingeln heute und morgen zu essen, und vielleicht auch übermorgen, aber sag mir doch, was ist nur geschehen? Hat sich die Welt plötzlich auf den Kopf gestellt, als ich nicht hingesehen habe? Behaupte nur nicht, dass du zur Kirche gegangen bist – ein Beichtstuhl genügt bestimmt nicht, um alle deine Sünden zu beichten. Kann man es glauben? Mein kleiner Dodger ist zu einem Engel geworden.«
    Marie Jo sprach seinen Namen mit französischem Akzent aus, was ihm jedes Mal einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Sie kannte jeden und wusste alles über alle, und jetzt schenkte sie Dodger ein gefährliches Lächeln, aber man musste immer auf ihr Spiel eingehen, und deshalb erwiderte er ihr Lächeln und antwortete: »Lob mich nicht zu sehr, Marie Jo! Ich möchte vermeiden, dass ich plötzlich als allzu edel dastehe. Wie dem auch sei … Auch ich bin einmal ein Kind gewesen, verstehst du? Übrigens, wenn du aufschreibst, wie viel du ihnen zu essen gibst … Ich bringe dir das Geld später, verlass dich drauf.«
    Marie Jo warf ihm einen Kuss zu, der nach Pfefferminz roch, senkte die Stimme, beugte sich vor und sagte: »Ich höre so einiges über dich, mein Junge. Sei vorsichtig! Es ging unter anderem um die Sache mit Holzbein Higgins, gestern. Er erzählt es überall herum.« Noch leiser fügte sie hinzu: »Dann war da dieser Gentleman. Und ich erkenne einen Gentleman auf Anhieb. Er

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