Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Halunken: Roman (German Edition)

Dunkle Halunken: Roman (German Edition)

Titel: Dunkle Halunken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
selbst zu kennen, so wie sie meine Zukunft kennt.«
    Stille folgte diesen Worten, abgesehen von den Geräuschen, die Solomons Werkzeuge verursachten, und das war Dodger nur recht, denn er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er fragte sich, ob es daran lag, dass Solomon Jude war, oder vielleicht an seinem Alter oder an beidem zusammen. »Ich möchte ein bisschen nachdenken, wenn es dir recht ist«, sagte er schließlich. »Natürlich ziehe ich mich um.«
    Dodger glaubte nämlich, dass er beim Toshen am besten nachdenken konnte. In der vergangenen Nacht hatte es geregnet, aber nicht allzu heftig, und nun wünschte er sich ein wenig Zeit, ohne sie mit jemand anderem teilen zu müssen.
    Solomon winkte ihn fort. »Geh nur, Junge! Und bitte nimm Onan mit …«
    Etwas später und ein ganzes Stück von der Mansarde entfernt wurde ein Gullydeckel angehoben, und Dodger sank dankbar in seine Welt hinunter. Wegen des Regens war es nicht allzu schlimm, und es gab noch etwas Tageslicht. Außerdem hörte er Echos. O ja, die Echos – es war erstaunlich, was die Tunnel und Röhren empfingen, und Stimmen trugen manchmal sehr weit. Jeder Ton verließ seinen sterbenden Geist und tanzte wer weiß wie weit.
    Und dann die Geräusche von der Straße. Manchmal konnte man ein Gespräch verfolgen, das in der Nähe eines Abflusses stattfand – dann redeten oben die Leute, ohne etwas vom unten verborgenen Tosher zu ahnen. Einmal hatte Dodger gehört, wie eine Dame aus einer Kutsche gestiegen und gestolpert war, was dazu geführt hatte, dass ihre Handtasche zu Boden fiel und sich öffnete. Wie es ein glücklicher Zufall wollte, rollte ein Teil des Gelds in den nahen Abfluss. Der junge Dodger hatte die Rufe gehört, ebenso die Verwünschungen, die dem Kutscher galten, dessen Schuld nach Ansicht der Dame darin bestand, die Kutschentür nicht richtig offen gehalten zu haben. Wie Manna vom Himmel fielen ihm ein halber Sovereign, zwei halbe Kronen, eine Sixpence-Münze, vier Pennys und ein Viertelpenny in die Hände.
    Zu jener Zeit hatte er sich über den Viertelpenny geärgert. Was fing eine große Dame, die eine eigene Kutsche besaß, mit einem Viertelpenny in ihrer Tasche an? Viertelpennys waren für arme Leute, und das galt erst recht für halbe Viertelpennys.
    So gute Tage bekam man nicht oft, doch es waren nicht die Tage, die der Kanalisation geisterhaftes Leben verliehen, sondern die Nächte. Tosher mochten Nächte mit schwachem Mondschein. Wenn sie nachts nach unten stiegen, nahmen sie manchmal eine dunkle Laterne mit: eine mit einer Klappe, die geschlossen werden konnte, wenn man nicht gesehen werden wollte. Doch solche Laternen waren teuer und sperrig, und Tosher mussten manchmal sehr schnell sein.
    Dort unten im Dunkeln gab es nicht nur gute, ehrliche Tosher, o nein! Natürlich musste man mit Ratten rechnen, denn immerhin war die Kanalisation ihr Zuhause. Sie waren nicht gerade versessen darauf, einem zu begegnen, und man wollte ihnen nicht über den Weg laufen, aber nach den Ratten kamen die Rattenfänger, die die Tiere für Hundekämpfe einfingen.
    Und dann gab es da noch wahrhaft Schreckliches …
    An vielen Stellen in der Stadt war die Kanalisation offen und oberirdisch, und manche Abwasserkanäle versuchten sich dort als Flüsse auszugeben. Das hieß: Was zu schwimmen oder zu rollen imstande war, konnte mitten in der Nacht hineingeraten, ob freiwillig oder nicht, und darin festsitzen. Ein vernünftiger Tosher hielt sich von solchen Gegenden fern, aber es gab andere Leute, die die Abgeschiedenheit der Kanalisation für eigene Zwecke nutzten. Leute, denen nicht unbedingt daran lag, Toshern Grässliches anzutun, die sich aber durchaus dazu hinreißen ließen, wenn sie in der richtigen Stimmung waren, nur aus Spaß.
    Sie lachten gern …
    Dodgers Gedanken kehrten zu Marie Jos Begegnung mit dem Fremden zurück. Jemand, der wie ein Anwalt aussah, erkundigte sich nach jemandem namens Dodger. Und Marie Jo war eine schlaue, gerissene Frau; andernfalls hätte sie nicht überlebt.
    Diese Gedanken breiteten sich wie die auflaufende Flut (immer ein Ärgernis für Tosher in der Nähe der Themse) in seinem Gehirn aus. Und eine Antwort präsentierte sich ihm.
    Dies war sein Reich. Er kannte jeden einzelnen Abwasserkanal, den Atem der Stadt, alle kleinen Schlupflöcher, die man nur dann sah, wenn man wusste, wohin es zu sehen galt, die halb abgetrennten Winkel und Ecken, die allen anderen verborgen blieben. Ganz ehrlich, er fand sich

Weitere Kostenlose Bücher