Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
es da das Problem namens Rasierschaum, worum sich der Friseur kümmerte, nachdem er das Rasiermesser beiseitegelegt hatte, natürlich so, dass die glänzende Klinge nach Norden zeigte, was ihre Schärfe bewahrte.
Dodger saß hilflos auf dem Stuhl und beobachtete das Geschehen mit so etwas wie Ehrfurcht, wobei er nicht nur die faszinierenden Vorbereitungen des Friseurs sah, sondern sich auch vorstellte, wie gut er anschließend aussehen und wie erfreut Simplicity sein würde, wenn sie den neuen Dodger erblickte, sauber und elegant, ein richtiger junger Herr. Er stellte fest, dass Sweeneys Hände Narben an jedem Finger hatten, obwohl sie sich kaum zeigten, weil er den Rasierschaum mit der manischen Begeisterung eines Zirkusclowns in Dodgers Gesicht verteilte. Das Zeug geriet praktisch überallhin, denn es enthielt so viel Luft, dass es schwebte und in der leichten Brise flog. Es schien den Friseursalon verlassen zu wollen, und Dodger teilte diesen Wunsch, zumal der unangenehme Geruch nicht mehr nur undeutlich war, sondern immer aufdringlicher wurde.
»Fühlen Sie sich nicht gut, Mister Todd?«, fragte er. »Ihre Hände zittern ein wenig, Mister Todd.«
Das Gesicht des Friseurs sah aus wie Stahl, wenn Stahl schwitzen konnte, und seine Augen wirkten wie Löcher im Schnee. Immer wieder glitt sein Blick in die Ferne, wie in eine andere Welt. Vorsichtig schob Dodger das Tuch beiseite und behielt den Mann dabei aufmerksam im Auge. Meine Güte, jetzt begann Mister Todd auch noch zu murmeln; die einzelnen Worte gingen ineinander über, als sie aus dem Mund zu kriechen versuchten, wobei es einige von ihnen so eilig hatten, dass sie bestrebt waren, die vor ihnen zu überholen.
Dann stand Sweeney plötzlich zwischen Dodger und der Tür zur Straße und winkte mit dem Rasiermesser wie eine Braut mit ihrem Brautstrauß kurz nach der Trauung, neugierig darauf, wer ihn wohl auffängt …
Dodger hoffte, dass man das laute Klopfen seines Herzens nicht hörte, als er ruhig sagte: »Erzählen Sie mir, was Sie sehen, Mister Todd! Es klingt schrecklich. Kann ich Ihnen helfen?«
Bumm-bumm, machte Dodgers Herz, doch er achtete nicht darauf, leider ebenso wenig wie Sweeney, dessen Murmeln lauter wurde, was Dodger in die Lage versetzte, einige Worte zu verstehen. Langsam, ganz langsam stand er auf und dachte nach. Vielleicht Opium? Er schnupperte, roch aber keinen Alkohol. »Was sehen Sie, Mister Todd?«, fragte er so sanft wie möglich.
»Sie … sie kommen immer wieder. Ja, ja, sie kommen zurück und versuchen, mich mitzunehmen … Ich erinnere mich an sie … Wissen Sie, was Kanonenkugeln anrichten können, junger Herr? Manchmal hüpfen sie, es ist sehr komisch, ha, und dann rollen sie über den Boden, und ein junger Bursche … ja, irgendein neuer Bursche, frisch von einer Farm in Dorset oder Irland, mit dem Kopf voller Lügen über den Krieg und in der Tasche ein schlecht gemaltes Bild von seiner Freundin, die ihn vielleicht an sich herangelassen hat, weil er ein so tapferer Soldat ist und gegen Boney kämpft … Dieser junge Soldat sieht die Kanonenkugel über den Boden rollen wie beim Kegeln, und der verdammte Narr ruft seine Kameraden, diejenigen, die noch übrig sind, und beschließt, der Kugel einen ordentlichen Tritt zu versetzen, ohne zu ahnen, welche Kraft noch darin steckt. Kraft genug, ihm das Bein abzureißen, und nicht nur das Bein. Heute schwinge ich das Rasiermesser, aber auf dem Schlachtfeld habe ich das des Chirurgen in der Hand gehalten, und es war kaum besser als die Klinge eines Schlachters. Ich hab sie alle gesehen, die gebrochenen Männer … Und da kommen sie … Sie kommen, wie sie immer gekommen sind, unsere glorreichen Helden, einige von ihnen sehen mit ihren Augen für die anderen, die keine mehr haben, andere tragen die ohne Beine. Und wieder andere schreien für jene, die ohne Stimme sind …«
Die ganze Zeit über tanzte das Rasiermesser wie hypnotisch hin und her, während sich Dodger langsam dem schwitzenden Mann näherte.
»Nicht genug Verbandsmaterial, nicht genug Medizin, nicht genug … Leben«, murmelte Sweeney Todd. »Ich habe es versucht. Nie habe ich die Waffe auf andere Menschen gerichtet, ich habe zu helfen versucht, wenn die beste Hilfe, die man leisten kann, aus einer sanften Klinge besteht. Und sie kommen immer noch … Sie kommen hierher, die ganze Zeit über … und suchen nach mir … Und sie behaupten, nicht tot zu sein, aber ich weiß, dass sie tot sind. Sie sind tot,
Weitere Kostenlose Bücher