Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
der alte Mann die Stiefel als hinreichend sauber befand – und er ließ sich nicht so leicht zufriedenstellen –, machte sich Dodger auf den Weg zur Fleet Street. Die Straßen füllten sich mit Leben, und er war sauber, obwohl in Hinsicht auf den Anzug aus dem Gebrauchtladen einige Zweifel blieben, denn er juckte wie verrückt! Er sah gut aus und wollte lässig und cool wirken, als er durch die Straßen schlenderte, aber fast an jeder Ecke blieb er stehen, um sich zu kratzen. Er rang mit einem Jucken, das ihn verspottete, indem es ständig den Ort wechselte, einmal in seinen Stiefeln steckte und dann hinter den Ohren erschien, um von dort aus in den Schritt zu springen, wo man sich in aller Öffentlichkeit nicht kratzen durfte. Allerdings half es, etwas schneller zu gehen, und ein wenig außer Atem erreichte er schließlich den Friseurladen, den er am vergangenen Tag bemerkt hatte, und zum ersten Mal sah er auf das Namensschild. Es dauerte eine Weile, aber schließlich gelang es ihm, die Aufschrift zu entziffern: Mr. Sweeney Todd, Bader.
Er betrat den Laden, in dem sich offenbar keine Kunden aufhielten, und bemerkte einen blassen, recht fahrig wirkenden Mann, der auf dem Friseurstuhl saß und etwas trank, das sich als Kaffee herausstellte. Der Friseur seufzte, als er Dodger sah, klopfte sich die Schürze ab und sagte mit spröder Fröhlichkeit: »Guten Morgen, Sir! Ein wundervoller Morgen! Was kann ich für Sie tun?« Er versuchte sich zumindest an einer fröhlichen Begrüßung, aber es war deutlich zu erkennen, dass er nicht mit dem Herzen bei der Sache war. Nie zuvor hatte Dodger ein so klägliches Gesicht gesehen, außer vielleicht, als Onan sich noch mehr als sonst blamiert hatte, indem er Solomons Abendessen hinunterschlang, als der Mann gerade nicht hinsah.
Mister Todd war eindeutig kein fröhlicher Mensch. Trübsinn schien an ihm zu haften, als hätte ihn die Natur eher dafür geschaffen, der stumme Gehilfe eines Leichenbestatters zu sein, dessen Aufgabe darin bestand, hinter dem Sarg des Verstorbenen herzugehen, respektvolle Trauer zu zeigen und kein Wort zu sagen, weil das zwei Pence extra gekostet hätte. Es wäre nicht so schlimm gewesen, wenn Mister Todd nicht versucht hätte, dagegen anzukämpfen und sich heiter zu geben; ebenso gut hätte man Rouge bei einem Totenkopf auflegen können. Dodger war fasziniert. Vielleicht sind alle Friseure so, dachte er. Immerhin möchte ich nur eine Rasur und einen Haarschnitt.
Nicht ohne ein gewisses Unbehagen setzte er sich auf den Stuhl, und Sweeney wirbelte ein weißes Tuch um ihn, auf eine Weise, die vielleicht theatralisch gewirkt hätte, wenn Sweeney sich darauf verstanden hätte. An dieser Stelle bemerkte Dodger einen undeutlichen, aber beharrlichen Geruch, der von irgendwoher kam. Er berichtete von Moder und war mit den Gerüchen von Seife und Gläsern mit verschiedenen Flüssigkeiten vermischt. Er dachte: Nun, dies ist keine Metzgerei. Ich schätze, der Hausherr ist losgezogen, um was vom Abort zur Kanalisation zu bringen – wenn die Leute das doch nur unterließen!
Ein großer Teil des Tuchs endete an Dodgers Hals, um gleich darauf vom glücklosen Sweeney mit reichlich Entschuldigungen und Beteuerungen, dass so etwas nicht wieder geschehen werde, fortgezogen zu werden. Aber es wiederholte sich doch, gleich zweimal. Schließlich fiel das weiße Tuch auf eine Weise um Dodger, mit der sie beide einigermaßen zufrieden waren, und daraufhin konzentrierte sich der schwitzende Sweeney auf die Arbeit. Irgendwann hatte ihm offenbar jemand gesagt, dass ein Friseur nicht nur gut mit Haar umgehen sollte, sondern auch über einen schier unerschöpflichen Vorrat an Witzen, Anekdoten und Zwerchfellkitzlern verfügen müsse, darunter einige, die – wenn der Herr auf dem Stuhl im richtigen Alter war und solches zu schätzen wusste – auch anzügliche Bemerkungen über junge Frauen enthielten. Doch der Person, die Mister Todd entsprechenden Rat gegeben hatte, war nicht klar gewesen, dass es Sweeney an allem mangelte, was man Bonhomie, Heiterkeit, Zotigkeit oder ganz allgemein Humor nannte.
Dennoch bemerkte Dodger, dass er sich Mühe gab. O ja, er gab sich wahrlich Mühe, während er das Rasiermesser am Streichriemen schärfte. Zwar brachte er immer wieder die Pointen durcheinander, was ihn aber nicht daran hinderte – o Schreck, o Graus –, über seine eigenen verunglückten Witze zu lachen. Aber schließlich war das Rasiermesser scharf genug, und dann gab
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