Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
seiner Magie und den Kontakten in Covent Garden konnte Solomon gewöhnlichen Brei in die delikateste Suppe verwandeln, die Dodgers Meinung nach kaum zu übertreffen war, nicht einmal von Marie Jos Kochkünsten. Dennoch legte Dodger seinen Löffel beiseite.
»Das war sehr lecker, Sol, danke, aber ich muss gehen.«
» Mmm, nicht ohne dass du deine Stiefel geputzt hast, auf keinen Fall. Du bist mittlerweile fast ein Gentleman, zumindest bei schlechtem Licht, und außerdem mit einer wichtigen Mission beauftragt. Deshalb musst du so gut wie möglich aussehen, erst recht heute Nachmittag, wenn du wieder Miss Simplicity besuchst. Für einen Angehörigen des auserwählten Volks ist es schwer genug, in dieser Stadt zu leben, selbst wenn man ihm nicht vorwerfen kann, einen Jungen wie dich ohne angemessene Kleidung loszuschicken – es würde nicht lange dauern, bis die Leute wieder Steine auf das Gebäude werfen würden. Mach deinen Anzug bloß nicht schmutzig! Ich möchte keinen Flecken sehen, wenn du zurückkehrst. Und jetzt deine Stiefel!« Solomon öffnete eine seiner Schatullen, reichte Dodger einen kleinen Metallbehälter und sagte: »Dies ist richtige Schuhcreme, riecht sogar gut mmm, nicht wie das verflixte Schweinefett, das du benutzt. Du wirst ein wenig Armschmalz benötigen, um deine gebrauchten Stiefel zu putzen, damit sie wie neu aussehen und du dein Gesicht darin erkennen kannst. Und dabei fällt mir noch etwas anderes Erwähnenswertes ein. Denn wenn du dich im Glanz der richtig geputzten Stiefel siehst, sollte dir klarwerden, dass dein Gesicht ebenfalls aufpoliert werden muss. Offenbar hattest du gestern Abend keine Zeit, es zu waschen.«
Bevor Dodger Einwände erheben konnte, fuhr Solomon fort: »Außerdem muss ich dich darauf hinweisen, dass das, was du für dein Haar hältst, schlimmer aussieht als die Reithose eines Mongolen, und die sieht tatsächlich schlimm aus mit dem vielen Haar und den Yakbrocken – ich glaube, bei besonderen Gelegenheiten verwenden die Mongolen Yakmilch für ihr Haar. Und da ich nicht erneut fliehen und in einem anderen Land Zuflucht suchen möchte, solltest du, nachdem du dich ein bisschen herausgeputzt hast und wie ein halbwegs ordentlicher Christ aussiehst – die Chancen, dass du jemals wie ein Jude aussiehst, mein Junge, sind verschwindend gering –, einen richtigen Friseur aufsuchen und dir von ihm die Haare schneiden und dich rasieren lassen, anstatt dich den Fingern eines alten Mannes anzuvertrauen, die zittrig werden, wenn er müde ist.«
Dodger konnte sich selbst rasieren, auf eher lustlose Art und Weise – obwohl, und das soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, es noch nicht allzu viel zum Rasieren gab –, aber einen richtigen Haarschnitt hatte er noch nie in seinem Leben bekommen. Gewöhnlich erledigte er das selbst, indem er einfach hier und dort ein paar Strähnen mit dem Messer abschnippelte, wobei er Solomon wie einen klugen Spiegel benutzte, der ihm sagte, an welcher Stelle er die Klinge ansetzen musste. Das Ergebnis solcher Bemühungen ließ ein wenig zu wünschen übrig, und vermutlich nicht nur ein wenig, und anschließend kam der Läusekamm zum Einsatz, was recht unangenehm war, aber ein erfolgreiches Mittel gegen das Jucken. Es bereitete ihm eine gewisse Genugtuung, wenn die kleinen Biester zu Boden fielen, wo er sie zertreten konnte. Dann wusste er, dass er zumindest für die nächsten Tage ohne Passagiere war.
Er strich sich mit den Fingern durchs Haar, eine Methode, die Solomon deutschen Kamm nannte, und musste zugeben, dass oberhalb seiner Brauen jede Menge Platz für Verbesserungen war. Deshalb sagte er: »Ich weiß, wo ein Friseurladen ist. Ich habe ihn erst gestern gesehen, in der Fleet Street.«
Zeit bleibt mir genug, dachte Dodger, als er den Stiefeln das bereits erwähnte Armschmalz angedeihen ließ, zusammen mit der Schuhcreme. Solomon stand neben ihm, vergewisserte sich, dass er alles richtig machte, und wies darauf hin, dass er die Schuhcreme in Polen gekauft hatte. Die Liste der Länder, die Solomon besucht und schnell wieder verlassen hatte, schien endlos zu sein, und Dodger wollte nicht, das sie seinetwegen noch länger wurde.
Er erinnerte sich daran, wie Solomon einmal einen Bündelrevolver aus einer seiner Schatullen genommen hatte. »Wozu brauchst du den?«, hatte er gefragt, und Solomon hatte geantwortet: »Ich dachte mir, dass ich genug eingesteckt habe. Beim nächsten Mal teile ich auch ein bisschen aus …«
Als
Weitere Kostenlose Bücher