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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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seiner Mittagspause im Außenministerium und schafften es kaum, hinterher zu duschen, sie träumten nur davon, gemeinsam einzuschlafen und nebeneinander zu liegen, und fragten sich zweifelnd, ob das je geschehen würde, und nun, hier, geschah es, vielleicht sogar früher als erwartet, also musste er jetzt Befriedigung empfinden, und ihm fiel der Spruch von Oscar Wilde ein, über die zwei Tragödien des Lebens – die eine Tragödie sei, nicht zu bekommen, was man sich wünscht, und die andere, es zu bekommen, und nur Letzteres sei die wahre Tragödie.
    Er nahm an, dass es etwa zehn Uhr sein musste, und dachte, es würde ihm nicht schaden, noch ein bisschen zu schlafen, da er erst nach vier eingeschlafen war, normalerweise schlief er neun Stunden, und wenn er in dieser Woche nicht genug Schlaf bekäme, würde alles noch schlimmer. Er legte sich auf den Bauch und versuchte einzuschlafen, aber die Nähe von Evas Körper und seine veränderte Lage reizten ihn nur noch mehr, und er dachte, wenn es Ruth wäre, hätte er sie schon geweckt, aber bei Eva konnte man nicht wissen, wie sie reagierte, und plötzlich kam ihm die Idee, er könnte nach Hause fahren und mit Ruth schlafen und nach einer Stunde ins Hotel zurückkehren, ohne dass Eva es überhaupt bemerken würde, doch dann fiel ihm ein Spruch ein,den der Konsul einmal gesagt hatte, es sei in Ordnung, die Ehefrau zu betrügen, aber nie die Geliebte.
    Er wunderte sich, warum der Konsul das zu ihm gesagt hatte, ahnte er etwas oder hatte er selbst etwas zu verbergen und versuchte, eine Solidarität zwischen ihnen aufzubauen, eine verbrecherische Interessengemeinschaft, und dann dachte er daran, wie sie sich erst vor vierundzwanzig Stunden im Konsulat über den Weg gelaufen waren, als er heimlich wie ein Dieb in das Gebäude geschlichen war und der Konsul es auf die gleiche Art hatte verlassen wollen, und er dachte, wer weiß, vielleicht hatte er ja auch irgendwelche Pläne, vielleicht war er auch auf dem Weg zum Flughafen gewesen. Er drehte sich wieder zu Eva, jetzt war ihr Körper fast ganz in blasses gelbes Licht getaucht, sie sah aus wie eine Engelsgestalt auf einem Gemälde von Botticelli, und er dachte, ihr Gesicht bekommt kein direktes Licht, aber dieses Problem war zu lösen, es reichte, wenn er die Gardine etwas weiter aufzog, dann würde sie aufwachen, es sei denn, sie war gegen Tageslicht resistent, vielleicht war sie nur nach New York gekommen, um eine ganze Woche lang zu schlafen.
    Dann dachte er, vielleicht ist das ihre Art zu fliehen, vielleicht ist es ihre Strategie, sie muss das Zimmer nicht verlassen, es reicht, dass sie schläft, dass sie die ganze Woche lang schläft, und er betrachtete ihren Körper, streckte die Hand aus und zog die Decke weg, sie bewegte sich ein bisschen und drehte sich auf den Rücken, und der Anblick, wie sie mit gestreckten Gliedern auf dem Rücken lag, vollkommen nackt unter dem halb durchsichtigen grünen Nachthemd und mit geöffneten Lippen, führte dazu, dass er fast die Kontrolle verlor und sich auf sie stürzte und in sie versank, ohne zu warten, bis sie wach wurde, aber er fürchtete ihre Reaktion und dachte, zur Sicherheit solle er jetzt lieber aufstehen und vielleicht etwas essen, wenigstens gab es jetzt etwas, und wenn man isst, vergeht die Zeit schneller.
    Er stand auf und fing an, sich mit den Papiertüten, die er ausdem Laden mitgebracht hatte, zu beschäftigen, er hoffte, dass das Rascheln sie vielleicht wecken würde, und dann fiel ihm auf, dass sie noch nichts gegessen hatte, er war mitten in der Nacht hinausgerannt, im Regen, um ihr postorgiastische Nahrungsmittel zu besorgen, aber sie hatte sie nicht einmal angerührt, seine nächtliche Geisterfahrt war völlig überflüssig gewesen, und er fragte sich, warum sie das Essen nicht angerührt hatte, was bedeutete das, dass es ihr nicht gut ging? Dass sie krank war? Oder hatte die nächtliche Tasse Tee, die sie zu trinken gewillt gewesen war, ihr genügt? Er riss eine Packung Cracker auf und aß einen Cracker nach dem anderen, ohne Käse, und erst nach einer halben Packung fiel ihm sein Appetit auf, vielleicht war es der Hunger, der ihn geweckt hatte, und vielleicht, mit ein bisschen Glück, würde der Hunger auch sie aufwecken, und er schob die Packung Cracker zur Seite, um sie nicht ganz aufzuessen, und fing wieder an, in den Tüten zu wühlen,

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