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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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das Thema Lüge anzuschneiden. Und das Versprechen, das ich gebrochen habe.
    Auch wenn du mir nicht mehr schreiben würdest.
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    Exkurs: Ich fühle mich wie ein Pendel. Ich bewege mich zwischen dem Rationalismus, mit dem Sascha die Welt betrachtet, und der Absolutheit, mit der ich den letzten Monat mit dir verbrachte.
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    Exkurs 2: Vielleicht bist du einfach in einer Midlifecrisis? Ich habe darüber noch nie nachgedacht. Es ist mir nicht eingefallen. Das würde allem, was geschah, etwas Banales geben. Fast Schmutziges.
    Â 
    Als ich Sascha am Montagabend vor einer Woche im Schwimmbad traf, bat ich ihn um Hilfe. Ich sagte ihm, dass es mir nicht gut geht und ich nicht weiß, was ich tun soll. Und dass ich nicht leiden möchte. Ich hatte Tränen in den Augen, als ich ihm das sagte, aber Sascha dachte bestimmt, das sei nur Wasser vom Schwimmbad.
    Â 
    Ich erinnerte ihn daran, dass er, als wir uns vor fast einem Jahr trennten, versprochen hatte, mir zur Seite zu stehen, und dass ich mich bis jetzt nicht an ihn gewendet hatte, aber nun bleibe mir keine Wahl. Ich erzählte ihm, dass ich mich verliebt habe. In jemanden, dessen Identität ich nicht verraten dürfe. Jemand, der vor einem Monat auf Heimaturlaub nach Israel gekommen und jetzt wieder weggefahren sei. Er fragte, kenne ich ihn? Ich sagte, nein, aber du hast von ihm gehört, er lebt in New York. Er dachte kurz nach. Ich sagte, du bist nicht zum ersten Mal in dieser Situation. Er sagte, gib mir einen Tipp. Ich sagte, du hast schon von Tanja über ihn gehört. Sascha kam sofort auf dich. Ich sagte nicht ja oder nein. Er wurde blass. Er atmete schwer. Er konnte nicht mehr weiterschwimmen.
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    Ich saß neben ihm auf dem Beckenrand, die Füße im Wasser, vielleicht genoss ich seinen Schock ein bisschen. Mein Versprechen an dich, Sascha nichts von uns zu erzählen, habe ich nicht gebrochen, aber irgendwie doch. Nachdem er wieder normal atmete, war das Erste, was er fragte, weiß es Tanja? Weiß Tanja Bescheid über deine Affäre mit Adam? Nein, sagte ich, sie haben sich schon getrennt, sie sind nicht mehr zusammen.
    Â 
    Ich fragte Sascha, ob er vorhabe, irgendwann zu Tanja zurückzukehren und sie vielleicht sogar zu heiraten. Er sagte nein. Sie leide wegen ihrer Natur, nicht wegen der Umstände. Seine Worte klangen sehr lapidar. Er sagte, sie habe ihn aus New York angerufen und stundenlang über ihre Probleme gesprochen, er habe es kaum geschafft, ein Wort dazwischenzubekommen. Nach einer Weile habe er dann so etwas gesagt wie entschuldige, etwas verbrennt im Ofen, ich muss nachschauen, und habe aufgelegt.
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    Ich sagte zu Sascha, dass ich nicht weiß, was ich tun soll. Dass es mir schwerfällt, dass du so weit weg bist. Dass du verheiratet bist. Dass ich nicht weiß, wohin das alles führt. Er umarmte mich. Von dem Moment an, als ich ihm von uns erzählt hatte, hörte er nicht auf, mich zu umarmen. Im Schwimmbad. In seinem Auto. Bei mir zu Hause. Bei mir auf dem Bett.
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    Nein, Sascha gegenüber empfinde ich nicht viel. Und ich erwidere seine Umarmungen nicht. Meine Gefühle ihm gegenüber sind verdampft, ich versuche, ihn zum Reden zu animieren, ihm Geschichten zu entlocken, mit ihm zu spielen, Adam. Aber er erzählt nicht viel. Es lässt sich nicht viel aus ihm herausholen. Er hat nie viel geredet, aber früher war ich blind und interpretierte das als tief und geheimnisvoll. Jetzt erscheint er mir als Sklave seiner Gewohnheiten oder seines Selbstbildes. Zum Beispiel gestern. Er kam zu meinem Vortrag im Seminar für Astrophysik und danach gingen wir zu ihm nach Hause. Er wohnt in Niyot, fünf Minuten vom Campus. Ich hatte wie üblich eine Tasche dabei, sie war noch nicht einmal schwer. Trotzdem bestand er darauf, sie zu tragen. Am Schluss gab ich nach, nur damit wir uns endlich auf den Weg machen konnten.
    Â 
    Er gab mir ein Buch zum Lesen. Es ist lächerlich, dass er mir Bücher gibt. Er sagte immer, Eva, du weißt ja, ich habe nicht viel gelesen. In einem so traurigen Ton, wie man eine Sünde beichtet. Und wenn er dann doch etwas gelesen hatte, war es unmöglich, mit ihm darüber zu sprechen. Er war nicht in der Lage, sich auszudrücken. Sogar beim Abendessen am Dienstag habe meistens ich gesprochen. Über schwarze Löcher. Lach nicht! Manchmal ist eine ungeheuere Masse in sehr wenig Volumen enthalten. Als würde man die Sonne in einen Apfel

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