Dunkle Materie
ohne Bezahlung zustand, aber die Frau hinter dem Tresen, mit den kurzen roten Haaren, schaute ihn kühl an und sagte, Sie haben das Bier schon bezahlt, das hätten Sie vorher sagen müssen, und er sagte, gut, ich werde getrennt für eine Viertelstunde Internet bezahlen, und die Frau sagte, wenn man Internet ohne Getränk nimmt, ist eine halbe Stunde das Minimum.
Von mir aus, dann eine halbe Stunde, sagte er und setzte sich an einen Bildschirm, und als er das Passwort eingegeben hatte und sich sein elektronischer Briefkasten öffnete, spürte er eine unklare Erregung, vielleicht weil er erwartete, von Eva eine Mail vorzufinden, denn mehr als er sie vermisste, vermisste er in diesem Moment ihre Mails, er vermisste ihre Art zu schreiben, die manchmal banal oder sentimental war und ihn trotzdem zu Tränen rührte, und es schoss ihm durch den Kopf, sie könnten sich weiterhin Mails schreiben, auch wenn sie zusammen waren, am gleichen Ort, nichts hinderte sie daran, es zu tun, sie könnten sogar zusammen in ein Internetcafé gehen, einen Meter voneinander entfernt, und Mails austauschen.
Er schaute die Mails schnell durch, die er seit Mittwoch bekommen hatte, seit drei Tagen, und bemerkte eine Mail von Eva, die er noch nicht gelesen hatte. Aufgeregt öffnete er die Mail und verschlang sie Zeile für Zeile, aber irgendetwas stimmte nicht, er brauchte eine Weile, bis er verstand, dass es keine neue Mail war, diese Mail war zwei Tage alt, die letzte Mail, die sie ihm aus Israelgeschickt hatte, am Donnerstag, wenige Stunden vor ihrem Abflug, und als er die Stelle las, in der sie fragte, ob sie vom Duty-free Champagner mitbringen solle, wurde er traurig, plötzlich schien ihm diese Mail wie das Licht von einem weit entfernten Planeten zu sein, einem Planeten, den es schon längst nicht mehr gab.
Er blätterte die neuen Mails durch, teils vom Konsulat, teils Spam, Werbung für Viagra oder Tabletten zum Abnehmen, oder Angebote, um schnell reich zu werden, er vergewisserte sich, dass es keine neue Mail von Eva gab, und wollte schon gehen, als eine neue Mail kam. Er hielt die Luft an, als er sie las.
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Samstag, 27. November, 14:44
Lieber Adam,
wo bist du? Ich bin allein in New York, Meâir ist für einige Tage weggefahren. Ich weiÃ, dass du gesagt hast, dass diese Woche für dich nicht so günstig ist, dass wir erst in zwei Wochen verabredet sind, aber was soll ich tun, Meâir hat seine Reise vorverlegt, und es wäre schade, die Gelegenheit nicht zu nutzen. Ich habe versucht, unser Zimmer im Hotel am Washington Square zu reservieren, aber alle Zimmer sind belegt, ich habe dann ein Zimmer im Herald Square Hotel reserviert. Schreib mir oder ruf an (oder komm ganz einfach ins Hotel â¦).
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Entweder ist die Welt so winzig oder wir so riesenhaft, jedenfalls füllen wir sie vollständig.
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Für immer deine
Tanja
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Er las die kurze Mail vielleicht fünf Mal, als könnte er beim wiederholten Lesen noch Neues entdecken, beim ersten Lesen dachte er, die Mail sei von Eva, aber das war vollkommen unlogisch, und auch die Tatsache, dass der Konsul seine Reise vorverlegt hatte, schien ihm unlogisch, er wusste schon seit einem Monat, dass die Reise für den 10. Dezember gebucht war, darauf basierten seine Pläne, das Treffen mit Eva und zwei Wochen später mit Tanja, dieser veränderte Reisetermin des Konsuls brachte alles durcheinander, also war auch der Konsul letzten Donnerstag, als er ihn im Konsulat getroffen hatte, auf dem Weg zum JFK gewesen, wenn er das nur im Voraus gewusst hätte, es war unsinnig, Eva ausgerechnet an den Tagen nach New York kommen zu lassen, die er mit Tanja verbringen konnte, er konnte sich nicht vorstellen, dass Eva und Tanja darauf bestehen würden, ihn in derselben Woche zu treffen, überhaupt eine Woche mit so vielen Ãberraschungen konnte er sich nicht vorstellen.
Er schaute zur Uhr, um zu sehen, wie viele Minuten Internet ihm noch blieben, sieben Minuten, genug Zeit, um Tanja zu antworten, er klickte die Antworttaste und schrieb:
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Meine SüÃe,
es tut mir leid, ich habe von dieser Terminänderung nichts gewusst. Ich dachte, wir sind in zwei Wochen verabredet. Wie ich schon sagte, dieses Wochenende bin ich mit Ruth auf Long Island, sodass alles viel komplizierter ist. Aber ich finde eine Lösung. Es geht nicht, dass du allein in New York bist, ohne dass wir uns treffen. Ich vermisse
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