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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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der sofort eine Nachricht auf Englisch zu hören war, eine weibliche Stimme, hier ist Dr. Berman, leider kann ich Ihren Anruf jetzt nicht entgegennehmen, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, ich werde so schnell wie möglich zurückrufen.
    Er legte den Hörer auf und lief im Zimmer hin und her, irgendwie wollte ihm heute niemand antworten, es war eine Art Komplott, erst Ruth und nun auch Dr. Berman, und er überlegte, ob diese Dr. Berman auch gerade mit einem Fick beschäftigt war. Und wieder dachte er darüber nach, ob Eva vielleicht in Not war, ob es vielleicht ein medizinisches Problem gab, wenn sie an ihrem zweiten Tag in New York Dr. Berman anrief und dann verschwand, und er nahm sich vor, alles zu tun, um sie zu finden und ihr zu helfen, und dann rief er erneut Dr. Berman an, lauschte der Nachricht und sagte nach dem Signalton, Dr. Berman, Sie kennen mich nicht, rufen Sie mich bitte an, sobald es geht, es ist sehr dringend, und er hinterließ nicht nur die Telefonnummer, sondern auch die Nummer seines Zimmers.
    In dem Moment, als er die Nachricht für Dr. Berman hinterließ, war ihm klar, dass er im Zimmer bleiben musste, er durfte den Anruf nicht verpassen, er war neugierig, was für eine Ärztin sie war, auf welches Fach sie sich spezialisiert hatte, denn das konnte natürlich etwas mit Evas Problem zu tun haben, doch dann kam ihm die Idee, dass Eva ihm vielleicht alles in einer Mail erklärt hatte, Mails waren doch ihr wichtigstes Kommunikationsmittel, es gab keinen Grund, warum sie diese Methode nicht auch in dieser Woche anwenden sollte, wenn sie beide in New York waren, es war gut möglich, dass er, wenn er nachschaute, eine neue Mail von ihr finden würde, mit der das ganze Rätsel gelöst wäre.
    Als er das Hotel verließ, hatte er sich noch nicht entschieden, was er wirklich machen wollte. Eine frühlingshafte Sonne standmitten am Himmel und strahlte eine hypnotisierende Wärme aus, als wäre hier etwas falsch gelaufen, als wäre es Ende Mai und nicht November, er ging in östlicher Richtung und war ein paar Minuten später am Broadway, er ging ziellos, ließ sich vom Menschenstrom mitreißen, stöberte im
Strand
in alten Büchern, hielt an einem Stand, um ein Würstchen von Hebrew National zu kaufen, probierte sogar in einem der Läden ein sommerliches T-Shirt an, genoss die seltsame Freiheit, zu der er gezwungen war, weil keine Frau neben ihm ging, plötzlich fühlte er sich einsam, und ihm fiel auf, dass er, seit er vor zwei Tagen das Haus verlassen hatte, zum ersten Mal weder an Eva dachte noch an Ruth.
    Vielleicht ist es besser so, überlegte er, vielleicht ist das Verschwinden der beiden Frauen nicht so schlimm, vielleicht ist es etwas Positives, nichts, was einen hysterischen Ausbruch rechtfertigen würde, vielleicht sollte er nach all der Angst, dem Suchen und Herumlaufen und den quälenden Überlegungen, dass etwas passiert sein könnte, endlich aufhören, sich Sorgen zu machen, und er ging weiter den Broadway entlang, die Sonne schien ihm in die Augen und ein leichter Wind wehte durch seine Haare, er entfernte sich vom Hotel, entfernte sich vom Konsulat, vielleicht war die Zeit gekommen, dass auch er verschwand, sollten andere sich doch Sorgen machen, sollten andere nach ihm suchen, statt dass er immerzu jemanden suchte.
    Er betrat ein Internetcafé am Broadway und setzte sich an einen sonnigen Tisch mit Blick auf den Bürgersteig, er dachte an nichts, nur an das Bier, das er bestellt hatte, er betrachtete die Menschen auf der Straße mit einer Gleichgültigkeit, als wäre kein einziger von ihnen wichtiger als der andere und als gäbe es keinen Grund, den einen oder anderen zu bevorzugen, als gäbe es so etwas wie Verschwinden nicht, denn jeder war da, wo er sein sollte, und es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen.
    Als er das Bier ausgetrunken hatte und gehen wollte, bemerkte er die leuchtenden Bildschirme im Café, er spürte kein Bedürfnis, online zu gehen, es war zwar schon drei Tage her, seit er zuletzt seine Mails gelesen hatte, doch irgendwie fehlten sie ihm nicht, er wollte niemandem schreiben, er ging zur Theke, zahlte sein Bier und wollte gehen, da sah er, dass man für fünf Dollar ein Getränk bekam und eine Viertelstunde ins Internet gehen konnte, und weil er schon für das Bier fünf Dollar bezahlt hatte, wollte er wissen, ob ihm die Benutzung des Internets jetzt

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