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Dunkle Reise

Dunkle Reise

Titel: Dunkle Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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zeigte keine Veränderung; sie musterte ihn mit nüchterner Aufmerksamkeit.
    Was Georghe zu sagen hatte, war mir völlig gleichgültig. Ich wusste, dass es nur schaden würde, wenn ich der Heilkundigen bei ihrer Arbeit über die Schulter sähe, aber ich hatte mich auf bleiernen Füßen umgewandt und blickte auf ihre Arbeit aus der Ferne. Sorge und Kummer – eine winselnde Trauerklage über den Generalbass meiner Erschöpfung. Arienne lag jetzt ausgestreckt, und die Heilkundige betupfte etwas an ihrer Seite. Der Armbrustbolzen war nicht zu sehen. Hatte sie ihn herausgezogen? Ihre Helferin, eine Schwester des Ordens, nahm eine Röhre aus dem Kasten, aus der sie mit einer Zange Nadel und Faden zog, die von einer Flüssigkeit tropften. Die Heilkundige schüttete etwas aus eine Flasche über ihre Hände, nahm die Nadel und zog sie mit dem Faden einige Male durch, bevor sie einen Knoten machte…
    Ich blickte weg. Silvus war stolpernd herangekommen und stand neben mir. Wir lehnten aneinander, und die Erschöpfung lag wie Nebel über unserem Bewusstsein. Wir waren hungrig und wund und schmutzig. Übeltäter, dachte ich. Nun, vielleicht waren wir es. Wir sahen jedenfalls danach aus. Aber das war unwichtig, solange Arienne ihre Verwundung überstünde.
    Priorin Winterridge nahm das Wort, und ihre Stimme klang wie Frühlingsregen, leise, kühl und durchdringend. »Fähnrich Barras, es bekümmert mich zu hören, dass Fürst Nathan diese Herren als Übeltäter betrachtet. Es bekümmert mich umso mehr, nachdem ich mit ihrem früheren Verhalten gegenteilige Erfahrung gemacht habe. Sagen Sie mir, von welcher Art die Anschuldigung ist, die der Fürst gegen sie vorbringt?«
    Barras zuckte die Achseln. »Verrat natürlich, verehrte Dame.« Sie starrte ihn an, als warte sie auf eine Erläuterung, und er lächelte entwaffnend. »Und wenn das noch nicht genug sein sollte, Mord und Diebstahl. Jeder der beiden hat mehrere kaltblütige Morde auf dem Gewissen, und beide hatten Umgang mit dem Dunkel.«
    Seine Miene war von eine farblosen Verbindlichkeit. »Mir ist bekannt, dass der Orden ebenso wie mein Herr Gegner des Dunkels sind. Jetzt ist es an der Zeit, dazu zu stehen. Der Fürst wird die Entscheidung und Handlungsweise des Ordens mit großer Aufmerksamkeit verfolgen und bewerten.«
    Priorin Winterridge nickte. »Nun denn. Sicherlich wird er interessiert sein, die Vorgangsweise unserer Justiz kennenzulernen. Wir werden sie ihm gern vor Augen führen. Ah.«
    Die Heilerin kehrte zurück, eine kleine Frau in einem langen Kleid mit Übergewand, nicht dem Habit des Ordens. »Wir haben das Nötigste getan, und sie kann jetzt getragen werden. Verglichen mit den anderen Überlebenden, ist ihr Zustand der weitaus schlechteste. Ich werde mich jetzt um die anderen Verwundeten kümmern.« Ich erinnerte mich an die Stimme der Frau und an sie selbst, aber mein Gehirn war zu langsam und meine Sorgen zu viele.
    Priorin Winterridge nickte. »Tun Sie es. Schwester Bartholme, wir werden ein paar Tragbahren mit durchgezogenen Stangen für Pferde brauchen.« Ihr Blick ging zu Silvus und mir. »So scheint es immer zu sein, wenn Sie zu Besuch kommen, meine Herren.«

KAPITEL 14
    Mit einer Aufstiegshilfe kam Silvus in den Sattel und konnte sich auf dem Pferd halten. Es war meines Wissens das erste Mal, dass er eine brauchte. Mir erging es wie ihm. Arienne lag unter ihrem Umhang auf der Bahre, klein und weiß und schrecklich still. Ich ritt neben ihr, blickte in ihr Gesicht, das kalt und starr wirkte, streng wie ich es nie gesehen hatte, nicht einmal unter den schwierigsten und anstrengendsten Bedingungen. Sie hatte sich weder bewegt noch gesprochen.
    Natürlich war ich ein Idiot – gewesen. Wieder. Ich hätte mich auf Barras stürzen sollen, nicht auf diesen armen Teufel im Graben. Das war meine einfache Pflicht gewesen, und es hätte für Arienne keinen Unterschied bedeutet.
    Ich schuldete Silvus mein Leben und meine Unterstützung, und wieder hatte ich mich von blinder Wut überwältigen lassen. Das Einzige, das zu meinen Gunsten gesagt werden konnte, war, dass ich mich wenigstens enthalten hatte, einen hilflosen Mann niederzumachen. Die Stimme der Priorin Winterridge oder der Name der Göttin hatten mich vor der Untat bewahrt. Oder etwas anderes.
    Langsam ritten wir hinauf zum Burgtor, und ich nahm die Geschäftigkeit und den Lärm um mich her wie durch einen Nebel und einen langen Tunnel wahr. Ich erinnerte mich nicht, dass die Sperrfeste so aussah. Bei

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