Dunkle Schatten (German Edition)
Polizei rennt. Ich denke an etwas ganz anderes. Es ist
ein internationaler Fall, in dem Montenegro, Italien, Kroatien, Österreich und
auch Deutschland – schließlich lebte Madeo in München – verwickelt sind. Daher
werden die Behörden der involvierten Länder sehr eng kooperieren.«
»Was willst du damit sagen?«
»Sie werden alles auf den Kopf stellen und genauestens untersuchen, was
sie auf Madeos Grundstück finden. Somit stellen sie jede Menge DNA-Spuren
sicher. Darunter auch meine. Am Geschirr und den Gläsern, woraus ich gegessen
und getrunken habe, in dem Zimmer, in dem ich übernachtete, im Bad, auf der
Toilette.«
»Du bist aber nirgends registriert.«
»Das sagt gar nichts. Das lässt sich organisieren, wie wir bereits erlebt
haben.«
»Das stimmt. Wie gehen wir weiter vor?«
»Wir müssen schneller als alle anderen sein und starten heute noch FNews ,
indem wir die Fotos weltweit ausstrahlen. Ich schreibe dazu einen kurzen
Kommentar, Freitag wird synchronisieren. Das lässt sich bei Mitnick machen.
Freitag spricht zwar perfekt Deutsch, aber mit Akzent. Damit schaffen wir
Verwirrung und FNews kommt unter die Leute. Zwei Fliegen mit einer
Klappe. Wir werden auch eine Fanseite für FNews auf Facebook und Twitter
gründen. Und die Fotos auf YouTube stellen. Inzwischen ist Freitags Seite
dermaßen abgesichert, dass kein Hacker eindringen kann. Wir packen und hauen
ab. Begleichst du die Rechnung? Ich will verhindern, dass mich momentan zu
viele Leute zu Gesicht bekommen. Schließlich war meine Visage in letzter Zeit
zu oft im Fernsehen und in den Zeitungen. Auch meine Größe ist jetzt nicht
besonders dienlich.«
*
Erharter schnaubt vor Wut. Zornig stapft er in seiner Wohnung herum,
verwünscht alle und alles, was ihm in den Sinn kommt. Dieses Telefonat mit
seinem Noch-immer-Kollegen Lackner hat ihm den Rest gegeben. Sagte der ihm doch
glatt, nachdem Erharter ihn über den neuesten Stand der Vorfälle in Montenegro
zu informieren versuchte, weil Lackner keine Ahnung hatte, dass er nicht
gestört werden wolle. Er wäre mit ihm fertig, durch seine Blödheit wäre er in
diese Scheiße geraten. Dann legte er auf.
Nachdem Erharter sich halbwegs beruhigt hat, ruft er Sonja an, faselt
etwas, dass er sie sofort irgendwie treffen muss, und hat Glück. Kokoschanskys
Exfrau hat einen freien Tag, Günther ist zu einer Kinderparty eingeladen. Der
glücklose Mann verfolgt einen teuflischen Plan.
*
Der ehemalige Wirtschaftsminister Kurt-Friedrich Midas blickt auf den
kleinen Videoschirm der Gegensprechanlage neben der Eingangtüre seiner Wiener
Stadtwohnung.
»Gott sei Dank«, atmet er tief durch, »jetzt muss es nur noch gut
gegangen sein.« Dann drückt er den Türöffner. Er ist alleine zu Hause, seine
Frau Graciella weilt noch immer auf Capri, was ihm nur mehr als recht ist. So
kann er ungestört arbeiten und sich Verteidigungsstrategien überlegen, wenn man
ihm wieder auf die Pelle zu rücken gedenkt. Daramci ć s Tod kommt ihm einerseits sehr gelegen, andererseits bereitet er ihm
Unbehagen. Die Ermittlungen werden sich nun ausführlich mit der Verbindung des
Kroaten zu dem ermordeten `Ndrangheta-Boss beschäftigen, was für ihn äußerst
unangenehm werden kann.
»Komm rein«, winkt der Expolitiker den Mann herein, »wir setzen uns ins
Arbeitszimmer. Du kennst den Weg.« Midas vergewissert sich, ob nicht jemand
zufällig im Treppenhaus ist, bevor er die Türe wieder schließt, und geht vor.
Dr. Andreas Thornwalder schleppt einen schweren Pilotenkoffer und stellt
ihn ächzend vor Midas’ Schreibtisch ab, bevor er sich setzt, seine Krawatte
lockert und den obersten Knopf seines Hemdes öffnet.
»Bist du gleich direkt hergekommen?«, fragt Midas.
»Ja, ich war auch gar nicht erst in der Kanzlei. Ich bin bis auf drei
Pinkelpausen durchgefahren. Von Vaduz nach Wien ist es doch eine ziemliche
Strecke. Aber es hat sich gelohnt.«
»Dann hast du es also geschafft?«, strahlt Midas.
»Es geht doch nichts über einen alten Studienkollegen, mit dem ich in der
gleichen Studentenverbindung war. Das sind Seilschaften fürs Leben. Es war
nicht einfach, aber es ist gelungen, wenn es dich auch einiges kosten wird.«
»Geld ist mir gleichgültig, davon habe ich genug. Schließlich habe ich
Graciella nicht grundlos geheiratet. Hast du die Akten?«
»Natürlich«, der Anwalt klappt die Deckel des Pilotenkoffers auf, nimmt
einige Mappen heraus und legt sie auf den Schreibtisch, »mein
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