Dunkle Schatten (German Edition)
Studienfreund
konnte es deichseln, ich bekam beim liechtensteinischen Staatsanwalt
Akteneinsicht, er stellte mir sogar ein freies Büro zur Verfügung, ließ mich
unbeaufsichtigt. Ich konnte seelenruhig einiges kopieren, was für uns von
außerordentlicher Wichtigkeit ist. Ich würde dir raten, diese Unterlagen nicht
zu Hause aufzubewahren. Auch in meiner Kanzlei kann ich nichts deponieren. Zu
gefährlich, Hausdurchsuchungen sind jederzeit möglich. Hast du einen Ort? Am
besten außer Landes?«
»Ja. Es wird wohl am klügsten sein, das Material auf Capri in Graciellas
Villa zu verwahren. Ich fliege gleich morgen runter. Außerdem, eine kleine
Luftveränderung schadet mir nicht. Ich mache mir große Sorgen. Bortner und
Daramci ć sind tot. Das ist sehr gut, aber das kann erhebliche Probleme
nachziehen. Dass Saller noch immer nicht gefasst wurde, ist auch kein gutes
Zeichen.«
»Ich habe es auf der Rückfahrt von Vaduz in den Nachrichten gehört.«
»Sag mal, Andreas, ich habe läuten gehört, bei Bortners Selbstmord soll
es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Angeblich schoss er sich mit
seinen Jagdgewehr in den Hinterkopf. Schwer vorstellbar. Wie soll das gehen?«
»Das kann ich dir auch nicht beantworten. Es wird sicherlich dauern, bis
neuerliche Ermittlungen in deinen Angelegenheiten in Bewegung kommen. Er kann
dir nicht mehr schaden. Ich muss dir aber nicht erklären, dass mein Trip nach
Liechtenstein ziemlich gefährlich gewesen ist. Wenn das hochkommt und publik
wird, KFMs Anwalt hat Teile seiner Strafakte kopiert und einiges daran
manipuliert, bin ich geliefert und kann als Anwalt zusperren. Sämtliche anderen
Konsequenzen noch nicht einmal erwähnt.«
»Ich werde dir einen angemessenen Bonus auf dein spezielles Konto in
Monaco überweisen, Andreas. Schließlich bin ich einer deiner besten Klienten,
und mit mir bist du bislang nicht schlecht gefahren.«
*
»Hast du noch das Badetuch, mit dem Kokoschansky sich abgetrocknet hat,
als er zuletzt bei dir duschte?«, fragt Erharter und stellt die Tasse zurück
auf den Untersetzer. »Hoffentlich noch nicht gewaschen.«
»Nein, es liegt noch in der Schmutzwäsche«, antwortet Sonja, »warum?«
»Sehr gut. Weil ich es brauche.«
»Wofür?«
»Darauf sind jede Menge DNA-Spuren von deinem Ehemaligen.«
»Das kapiere ich jetzt nicht.«
»Vergiss es. Bring mir lieber den Fetzen.«
Sonja geht ins Badezimmer hinüber, sucht das Wäschestück aus dem Korb
heraus. Eigentlich hatte sie sich mehr erwartet, sich auf ihren Freund gefreut.
Doch er verlangt nur noch nach einer Plastiktüte, verabschiedet sich mit einem
flüchtigen Kuss und ist schon wieder weg. Sonja verdrängt den Gedanken, dass
sie ihm längst auf die Nerven geht, weil sie ihm keine brauchbaren
Informationen über Kokoschansky liefert und deshalb für ihn wertlos geworden ist.
Er wartet nur auf die passende Gelegenheit, um Schluss mit ihr zu machen.
»Euch werde ich es zeigen«, murmelt er vor sich hin, während er in
Richtung Triester Straße zum Laufhaus von Hermann Honsa fährt.
Honsa und Erharter verbindet eine lange Beziehung. Nach dem gewaltsamen
Tod des Griechen ist aus dem Trio ein Duo geworden. Erharter liefert manche
nützliche Information von der Gegenseite, Honsa revanchiert sich mit seinen
Nutten und Getränken frei Haus. Erharter wird zu Unterweltpartys eingeladen, findet
auch nichts dabei, wenn er dabei zusammen mit einschlägig bekannten
Szenefiguren abgelichtet wird. Eigentlich wäre er der weitaus bessere Gangster
geworden, als er jemals Bulle gewesen ist. Doch für einen endgültigen
Seitenwechsel ist er zu feig.
Lieber verschanzte er sich hinter dem Gesetz, das er nach seinem
Gutdünken missbrauchte, bis Kokoschansky ihm einen vorläufigen Riegel vorschob.
Erharter lebt nur mehr für seine Rache. Auf seiner Liste stehen weiters
Petranko, den er noch nie leiden konnte und außerdem mit dem verhassten
Kokoschansky befreundet ist. Lackner, der mit Erharter nichts mehr zu tun haben
will und BKA-Chef Katterka, der sie beide suspendierte und nicht im Traum daran
denkt, sich im Ernstfall vor seine Leute zu stellen.
Honsa empfängt Erharter in seinem Büro, ist wie üblich betrunken, aber
zurechnungsfähig. Ein richtiger Spiegeltrinker, der sein tägliches Quantum
braucht, um überhaupt funktionieren zu können. Auf einer kleinen Spiegelplatte
liegen noch Reste einer Straße Koks, die er sich vor Eintreffen Erharters
reingezogen hat. Aus einer Lade nimmt er ein
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