Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
und ließ ihn von dort seine neue Welt erforschen. Wir standen in unseren Mänteln da, wie stolze Mütter am Rand des Spielplatzes, und schauten zu. Anfangs schlich die kleine Hündin noch ein wenig benebelt um uns herum, schaute erst zu mir hoch, dann zu Peg, immer wieder – bis sie sich dann doch ihrer Umgebung zuwandte. Und bald sahen wir nur noch den
aufgerichteten schwarzen Schwanz über dem Gras, und dann tauchte sie irgendwo in der Ferne auf, lief schnuppernd hin und her, sauste in eine Hecke, war wieder eine Weile verschwunden, kam dann aber wieder zu uns zurückgerannt, um sich zu versichern, dass wir noch da waren, ehe sie sich erneut auf den Weg machte.
»Hast du nicht gesagt, Sieselbst hat Angst vor Motorengeräuschen?«, sagte Peg.
Ein Flugzeug donnerte über uns hinweg, um auf dem Flughafen von Dublin zu landen, das Fahrwerk schon ausgefahren, die Unterseite silbern glänzend.
Der Hund scharrte völlig unbeeindruckt in der Erde.
»Jetzt fällt’s mir ein, Peg – ich habe gar nicht daran gedacht, dass sie ja von einem Flughafengelände kommt. Das ist das einzige Geräusch, das ihr nichts ausmacht.«
Ein gutes Zeichen! Ich hatte mich richtig entschieden.
Leos Frau hatte ihm ein Ticket geschickt. Air France, Business Class. So ziemlich das teuerste, was es gibt. Das erzählte mir Reeny, während ich an meiner Haustür stand und sie an ihrer. »Er ist nicht da«, sagte sie. »Er ist im Sorrento und verabschiedet sich von Enzo. Jeder weiß, er geht weg, und seine Fans trauern und weinen. Ich gehöre auch zu den Fans. Er ist wirklich unglaublich charmant. Bis auf seinen Musikgeschmack ist er der perfekte Gentleman. Gott sei Dank habe ich einen Freund in Spanien, also konnte ich mich gerade noch beherrschen. Aber die armen alten Schachteln aus dem Chor, die noch nie einen Mann wie ihn kennengelernt haben, wie die über ihn reden! Man würde denken, er ist eine Mischung aus Padre Pio und diesem Wie-heißt-er-gleich aus South Pacific , weißt du, der so gut aussieht, mit den weißen Haaren. Die eine Hälfte von ihnen klopft an die Tür, um ihm Geschenke zu überreichen, die andere Hälfte legt die Gaben auf das Fenstersims. Heute habe ich gesehen,
wie eine Möwe versucht hat, ein Päckchen aufzureißen, das dort herumlag und in Alufolie gewickelt war. Da habe ich es einfach bei Mrs. Beckett auf das Fenstersims gelegt. Mal sehen, was sie dazu sagt!«, sagte sie mit einem herzhaften Lachen.
Ich ging in die Fish and Chips-Bude, um Leo zu sagen, dass ich zu Hause war. Er stand da, an den Tresen gelehnt, und spendierte mir ein Schokoladeneis, während er und Enzo weiter darüber redeten, welcher Kräutertee am besten wäre für Leos mal di gola und wie man mit Enzos Verspannungen im dossa umgehen könnte. Dann holte Enzo aus der Küche noch eine Flasche von dem grauenhaften Wein, den sein Großvater in den Hügeln über Bellinzona anbaute, und bestand darauf, dass Leo ihn mitnahm. Mit den besten Wünschen.
Leo brummelte weiter über alle möglichen Beschwerden und dass ihn ein mal hier und ein mal da quälte, als wir die Straßen hinunterwanderten, aber soweit ich das beurteilen konnte, ging es ihm bestens. Er war längst nicht mehr das Wrack, als das ich ihn in Macerata erlebt hatte, sondern wirkte glücklicher denn je, auch glücklicher als während unserer Beziehung. Ich nahm mir vor, irgendwann über diesen Punkt ausführlicher nachzudenken – wenn ich mir wieder mal überlegte, welche Rolle der Sex in meinem Leben gespielt hatte. Im Moment schob ich diese Beobachtungen erst mal beiseite.
Vielleicht kam seine ruhige Gelassenheit vom Älterwerden. Vielleicht wurde ich auch so, wenn die Jahre und die ersten Zipperlein mein Tempo irgendwann drosselten. Vielleicht war ich dann damit zufrieden, wenn meine Tage so aussahen wie seine jetzt: Er schien vor allem an seine Gesundheit zu denken, an den Essay über Schumann, den er gerade schrieb, an Häuser und wie man sie renovieren konnte. Und an seine Familie, vor allem an seinen jüngsten Sohn. Aber er hatte natürlich auch zweimal in der Woche den Frauenchor geleitet und in der Bibliothek von Kilbride ein paar Vorträge über musikalische Themen gehalten,
die er mit Beispielen untermalte, und es waren so viele Zuhörer gekommen, dass sie gar nicht in den Raum passten. Außerdem hatte er mehreren Kindern die Grundbegriffe auf der Blechflöte, der berühmten tin whistle , beigebracht. Und er war mit verschiedenen Frauen im Konzert gewesen.
»Wie geht es
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