Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
als gar niemand – ich habe trotzdem keinen.«
»Rosie Barry!«, klagte Peg. »Du bist hierhergekommen, um mich zu trösten – warum bist jetzt du diejenige, die klagt? Warum muss ich dich trösten?«
»Weil du ein Engel bist«, erwiderte ich und küsste sie zum Abschied. »Und woher weiß ich, dass du ein Engel bist? Weil du blond bist! Hast du schon mal einen Engel mit braunen Haaren gesehen?«
Von da an war ich bereit, wieder ein normales Leben zu führen. An einem strahlend blauen Tag, an dem der Wind landauswärts wehte und die weißen Schaumkronen der Wellen wieder ins Meer hinauspustete, ging ich in die Bibliothek von Milbay, um ein letztes Mal dort meine Mails zu kontrollieren. Das Wetter
war total übermütig. Immer wieder warf es eine Handvoll glitzernder Diamanten an die kleinen Fensterscheiben, während gleichzeitig die Sonne schien. Sonnige Regenschauer. Und ich fühlte mich leicht und unbekümmert.
RosieB an MarkC
Neulich saß ich hier und habe die Zeitung gelesen, samt den Todesanzeigen hinten. Da fiel mir auf, wie oft es hieß, dass der Verstorbene der ›beste Freund‹ der Hinterbliebenen gewesen sei.
Selbstmitleidig habe ich gedacht: Bei mir wird das niemand sagen.
Dann habe ich gedacht: Wäre es nicht möglich, dass man sich selbst der beste Freund sein kann?
Ich dachte über meine Freunde nach und was ich für sie empfinde. Ich möchte ihnen beistehen. Ich möchte ihnen niemals wehtun. Wenn sie meiner Meinung nach irgendetwas ändern müssten, weise ich sie achtsam und voller Zuneigung darauf hin – jedenfalls hoffe ich das. Aber eigentlich mag ich sie so, wie sie sind, und wenn sie so bleiben wollen, wie sie sind, habe ich nichts dagegen.
Und dann ist mir bewusst geworden, dass ich zu mir selbst nie so nett bin. Ich habe mir immer befohlen, dass ich mich ändern muss, ich habe mir strenge Anweisungen erteilt, mich zu bessern. Ich bin mit mir selbst nie liebevoll umgegangen. Und es war ein Gefühl, als hätte ich etwas ganz Zentrales endlich verstanden: Sich selbst zu lieben, ist kein egoistisches Getue. Liebe kann Dich öffnen. Liebe kann Dich weicher machen, sodass Du den alten Prägungen entkommen kannst. Liebe ist eine einfühlsame, unterstützende Form der Zuwendung. Wenn Du die Aufmerksamkeit auf Dich selbst richtest, dann können die zarten Schösslinge eines neuen Selbst stärker werden.
Also gehe ich weg von Stoneytown, mit dieser neuen Erkenntnis unter meinem Pullover.
Das wollte ich Dir noch kurz erzählen, lieber Markey.
Alles Liebe,
Rosie
MarkC an RosieB
BETREFF: DANKE
Danke, liebe Freundin, dass Du so offen bist. Das hilft mir, endlich etwas loszuwerden.
Rosie, ich musste lernen, nicht so schroff zu sein, als ich in die Staaten gekommen bin. Schroffe Wahrheiten stacheln die Menschen hier nicht an, sondern kränken und verwirren sie. Du und ich, wir kommen aus der schroffen Kilbrider Schule der menschlichen Beziehungen, aber hier ist das anders.
Deshalb will ich Dir sagen, dass ich die Art, wie ich damals von Irland weggegangen bin, ehrlich und aufrichtig bedaure. Erinnerst Du Dich, wie wir am letzten Tag auf dem South Bull Wall waren? Ich habe gesehen, wie tief verletzt Du warst, weil ich Dir nicht schon früher gesagt hatte, dass ich fortgehe. Nachts, auf dem Schiff nach Holyhead, habe ich mir geschworen, nie wieder jemandem so wehzutun, und ich habe mich viele Jahre lang bewusst bemüht, auf andere Menschen zuzugehen und behutsam mit ihnen umzugehen, weil ich mich Dir gegenüber so mies verhalten habe.
Es ist eins Deiner Wunder der mittleren Jahre, dass ich jetzt die Chance habe, Dir zu sagen, wie leid es mir tut.
Hast Du Lust, nach Seattle zu kommen? Ich würde Dir so gern alles hier zeigen. Min ist eine tolle Frau, aber sie ist nicht Du.
Alles Liebe,
Markey
Ich gab meiner Hündin eine Valium, weil ich es satthatte, jedes Mal den Tierarzt zu bezahlen, damit er hierherkam, und als sie einschlief, zog ich sie im Handwagen zum Auto, legte sie mit der Bettdecke auf die Rückbank, stopfte alles um sie herum mit Küchenpapier aus und sicherte sie mit Kartons voller Haushaltzeug. Mit etwas Glück wachte sie erst wieder auf, wenn ich bei Peg war.
Leo wollte morgen abreisen. In die Schweiz. Aber er hatte mir versprochen, oft nach Dublin zu kommen. Als Abschiedsgeschenk hatte er detaillierte Pläne für das Haus am Milbay Point entworfen, mit feiner Tusche und auf handgeschöpftem Papier. Wunderschöne Skizzen. Ich ging durchs Haus, das ich für die
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