Dunkle Tage
führt uns zu der immer dringenderen Frage zurück, wo und wann der Mörder Frau Broscheck mit dem Messer beobachtet hat, um auf den Gedanken zu kommen –“
Hendrik verstummte mitten im Satz, ohne den Mund zu schließen. Dann sprang er so heftig auf, dass der Stuhl umfiel, stürzte zu einer Wand und starrte auf ein bestimmtes Foto.
Gregor suchte zu ergründen, welches Bild seinen Bruder so in den Bann zog. Es war eine eher nebensächliche Aufnahme der Rückwand des Arbeitszimmers. Es zeigte blutbesudelte Wände, die Vorhänge, das Fenster mit Blick in den Garten. „Was ist los?“, fragte Gregor
„Wir waren alle blind!“, stöhnte Hendrik.
24
Diana war mehr als befremdet, weil die Brüder Lilienthal wie besessen die Hausklingel betätigten. „Außer mir und Elsa ist niemand da“, meinte sie.
„Ein glücklicher Umstand“, erwiderte Hendrik kurz angebunden, dann stürmte er zum Arbeitszimmer, gefolgt von seinem Bruder. Diana, die den beiden nacheilte, bemerkte verwundert, dass Hendrik hinkte.
„Wirst du mir jetzt endlich sagen, was du entdeckt hast?“, rief Gregor verärgert.
„Gleich, gleich! So mach doch auf!“
Gregor löste das Siegel und öffnete die Tür. „Ich hoffe für dich, dass es wirklich wichtig ist“, sagte er, und er sah nicht aus, als würde er Spaß machen.
Das Arbeitszimmer war unverändert, nur das Blut hatte begonnen, sich zu verfärben, und einen bräunlichen Ton angenommen. Vor zwei Tagen hatten Beamte die mitgenommenen Unterlagen Max Ungers zurückgegeben, aber Gregor hatte trotz Hermanns Protest darauf bestanden, das Zimmer versiegelt zu lassen. Im Präsidium war allgemein bekannt, dass er in dieser Hinsicht zu einem pathologischen Perfektionismus neigte. Wenn er gekonnt hätte, hätte er jeden Tatort für alle Zeiten in Wachs gegossen, um auch nach Jahren noch die Möglichkeit der Überprüfung zu haben.
Diese Marotte seines Bruders kam Hendrik jetzt zugute. Er stürzte zur Fensterwand und blieb abrupt zwei Schritte davor stehen. Seine Augen irrlichterten hierhin und dorthin, und seine Erregung übertrug sich auf die anderen. „Seht doch!“, rief er aus. „Seht ihr es nicht?“
Gregor und Diana stellten sich neben ihn. „Wovon sprichst du?“, fragte Gregor. Seiner Stimme war anzumerken, dass er das Rätselraten satt hatte.
„Das Blut!“
Jetzt sahen alle, was er meinte. Unterhalb des Vorhangs befand sich ein Blutfleck, der jedoch keine Fortsetzung auf dem Vorhang fand und wie abgeschnitten aufhörte.
„Da soll mich doch …“ Irritiert kniete Gregor nieder, um den Fleck genauer in Augenschein zu nehmen.
Zu seiner Freude erkannte Hendrik dieselbe Schlussfolgerung, die ihn hergetrieben hatte, in Dianas Augen. Kurzerhand trat sie an den Vorhang und zog diesen mit einem Ruck zu. Aus dem bislang im Inneren des Stoffes verborgenen Teil tauchte die Fortsetzung des Flecks auf, dazu eine Reihe weiterer Blutspritzer.
„Was bedeutet das?“, entfuhr es Gregor.
„Es bedeutet, dass niemand vom Gebüsch da draußen Max Unger beobachten konnte, weil die Vorhänge geschlossen waren!“
„Aber wir haben Spuren gefunden!“
Hendrik war schon weiter und ließ weder seinen Bruder noch Diana zu Atem kommen. „Ich wette …“, sagte er, mehr zu sich selbst, und ließ den Rest des Satzes unvollendet. Mit drei, vier Schritten durchmaß er den Raum, nahm eine Lupe vom Schreibtisch und unterzog den Terminkalender einer gründlichen Untersuchung. Wohl fünf Minuten suchte er jeden Zentimeter des aufgeschlagenen Blattes ab, blätterte vor und zurück. Gregor und Diana warteten schweigend das Ende seiner Tätigkeit ab und wagten nicht, ihn zu stören.
„Ja“, rief er schließlich, „ich wusste es!“ Triumphierend deutete er auf das oberste Blatt. „Seht ihr, hier, der Eintrag 8:30: Thor . Und hier“, er blätterte um, „wie wir ja schon gesehen haben, die winzigen Blutspritzer, die beweisen, dass der Kalender auf dieser Seite aufgeschlagen war, als der Mord geschah. Jetzt seht euch die Spritzer genau an.“
Gregor riss ihm die Lupe aus der Hand und beugte sich über das Papier. „Verdammt!“
„Was ist?“, fragte Diana frustriert, weil sie nicht einbezogen wurde.
„Die Spritzer sind zwar nur winzig, dennoch kann man an mindestens zwei Stellen erkennen, dass sie helle Stellen aufweisen, da, wo sich die Spitze des Stiftes eingedrückt hat. Das Pendant dazu findet sich auf der gegenüberliegenden Seite. Hier, das ist eindeutig der Anfang einer 3, und da ist das T
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