Dunkle Templer 01 - Erstgeboren
hämmerte. Er wollte dieses Projekt mehr, als er sonst etwas je im Leben gewollt hatte. Wollte es mit solch verstandesmäßiger Leidenschaft, dass Arcturus, dessen Begierden in einem ganz anderen Bereich lagen, es unmöglich verstehen konnte.
Aber er wusste, dass er seinem Vater nicht zeigen durfte, wie unbedingt er dies wollte. Es wäre ein Zeichen von Schwäche gewesen. Mochte das Band zwischen ihnen im Laufe der vergangenen Monate auch stärker geworden sein, hatte Valerian doch immer das Gefühl, er balanciere auf einem Drahtseil. Arcturus’ intelligente graue Augen beobachteten ihn unentwegt.
»Du musst zugeben, dass es einen Versuch wert wäre«, sagte Valerian, während er nach einem Stückchen erlesener dunkler Schokolade griff und sich das teure Häppchen in den Mund schnippte. Kauend sagte er: »Und es sieht dir gar nicht ähnlich, zum Wohle der Menschheit kein Opfer bringen zu wollen.«
Arcturus lächelte. Die Worte »zum Wohle der Menschheit« waren, wie sie beide wussten, eine diskretere Umschreibung für »zum Vorteil der Mengsk-Dynastie«.
Früher, davon ging Valerian aus, als sein Vater noch jung und leidenschaftlich gewesen war und das Feuer des gerechten Zorns in ihm gebrannt hatte, mochte der Ausdruck ihm einmal bedeutet haben, wofür er eigentlich stand. Sein Vater war nicht immer ein Zyniker gewesen, hatte seine Mutter ihm erzählt. Arcturus hatte gegen eine Konföderation zu den Waffen gegriffen, die auf feigste Art einen ganzen Planeten vernichtet hatte. Er hatte willentlich ein angenehmes Leben für das unsichere eines sogenannten Terroristen aufgegeben, für ein Leben ohne rote Portweine und feine Schokolade oder antike Schwerter und Behaglichkeit, in die er sich zurückziehen konnte, um der Monotonie des Kämpfens, Fliehens und Taktierens für ein Weilchen zu entgehen. Dass Mengsk letztlich wieder reich geworden war und ein Leben in Luxus führen konnte, war Glück gewesen, und es hatte Zeiten gegeben, da ein solches Ende alles andere als sicher gewesen war.
Insgeheim bewunderte Valerian diesen Mann immer noch. Auf dem Schoße seiner Mutter sitzend hatte er seinen Vater größtenteils nur auf Vidschirmen gesehen und nur so, wie andere ihn sahen – leidenschaftlich, konzentriert, charmant, tödlich. »Das ist dein Daddy«, hatte seine Mutter gesagt. »Wenn du groß bist, wirst du genauso sein wie er.«
Aber es war anders gekommen. Valerian war nur in Gesellschaft seiner Mutter und gepanzerter Soldaten aufgewachsen. Andauernd waren sie umgezogen, damit man sie nicht fand, damit man sie nicht ermorden konnte wie seine Großeltern und seine Tante. Einmal, da war er drei gewesen, hatte es den Anschein gehabt, sie hätten einen sicheren Ort gefunden, einen versteckten, befestigten Stützpunkt tief im umojanischen Protektorat. Fünf Jahre lang waren sie dort in Sicherheit gewesen. Dann war die Nacht gekommen, in der Valerians Mutter ihn aus tiefem Schlaf geweckt hatte, das Haar zerzaust und mit Angst in den Augen. Sie hatte ihn gepackt, ihm eingetrichtert, still zu sein – »Kein Wort, keinen Laut, Val, mein Liebling!« –, und Minuten später waren sie geflohen. Valerian erinnerte sich an das grelle Leuchten von Waffenfeuer in der Nacht und Kampfgeräusche, erinnerte sich, beim Rennen hingefallen und hart zu Boden gestürzt zu sein, um dann von einem Soldaten wieder hochgerissen zu werden, der dazu nicht einmal langsamer geworden war. Val wurde an einen anderen Soldaten weitergereicht, und derjenige, der ihn aufgelesen hatte, drehte sich um und schoss weiter. Im Nachhinein war Valerian schließlich klar geworden, dass dieser namen- und gesichtslose Soldat für ihn und seine Mutter gestorben war. Denn niemand, der nicht im Fluchtfahrzeug gewesen war, hatte überlebt.
Valerian drückte die Augen zu und klammerte sich an seine Mutter, während das Fahrzeug von Treffern geschüttelt wurde. Doch die Piloten, die Mengsk angeheuert hatte, waren gut, und sie schafften es zu entkommen.
»Mami?«, hatte Valerian zitternd gefragt, die Augen groß und mit rasendem Herzen. »Wird Daddy uns jemals zu sich holen?«
»Ja, mein Schatz. Das wird er. Eines Tages.«
Valerian lag Stunden wach, den Kopf in den Schoß seiner Mutter gebettet, und ihre Hände strichen über sein helles, goldfarbenes Haar. Er hörte sie leise weinen und merkte, wie sie versuchte, still zu sein, um ihn nicht noch mehr zu ängstigen, als es in dieser Nacht ohnehin schon der Fall gewesen war. Er tat so, als schliefe er, damit
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