Dunkle Templer 01 - Erstgeboren
abgegrenzten Bereich, in den sie jetzt gelangten, war es ruhiger und sauberer. Es waren immer noch Stöhnlaute zu hören, und es lagen Leute auf dem Boden, und es roch auch hier nach irgendeiner Art von Rauch. Aber es fehlte der brechreizerregende Gestank von Exkrementen und ungewaschenen Körpern. Der Boden war weich und mit Teppich ausgelegt, die Kissen üppiger. Und die… Bedienungen hier trugen Tabletts mit einer Auswahl von Drogen und nicht Eimer und Putzlappen. Andere saßen an einer Bar, wo man ihnen verschiedene Getränke, Rauchwaren oder Delikatessen sonstiger Art anbot.
Jake war nicht bewusst gewesen, dass es solche Einrichtungen gab. Rosemary hingegen wirkte völlig unbeirrt. Er wandte sich ihr zu und sah sie an, erstaunt, dass sie einst zu denjenigen gehört hatte, die sich in diesem Loch am Boden wälzten, erstaunt, dass es ihr gelungen war, all dem den Rücken zu kehren und Meisterin in einer Profession zu werden, die hohe Intelligenz, schnelle Reflexe und ausgezeichnete Fähigkeiten verlangte.
Sie ließ den Blick aufmerksam durch den Raum schweifen. Plötzlich grinste sie. »Dort ist unser Ticket, mit dem wir aus dieser Sache rauskommen werden«, flüsterte sie ihm zu und nickte in Richtung einer hochgewachsenen, muskulösen Frau, die den Raum gerade erst betreten hatte. Die Frau sah eigentlich gar nicht wie Rosemary aus, und doch sah sie ihr gleich. Sie hatten dieselbe Haltung, dieselbe Ausstrahlung, obwohl diese Frau fast so groß und kräftig wie Jake war. Ihr Haar hatte sie sich abrasiert bis auf einen goldblonden Pferdeschwanz, der ihr bis über die Hüfte hing. Ihre nackten Arme waren schwarz und wiesen eine Reihe von Tätowierungen auf, die Jake in diesem trüben Licht nicht erkennen konnte. Er war aber auch ziemlich sicher, dass er das gar nicht wollte.
Die Frau entdeckte Rosemary und nickte leicht. Sie kam zur Bar und stellte sich neben sie.
»Schön, ein bekanntes Gesicht zu sehen«, sagte R. M. und fügte noch hinzu. »Zumindest jemand, der nicht bis obenhin zugedröhnt ist.«
Die Frau lachte kehlig. »Freut mich auch, R. M. Du siehst gut aus.« Ihr Blick fiel auf Jake. Jake rang mit dem Impuls zu zittern. »Ist das der Typ?«
»Das ist unser Junge«, sagte R. M. »Aber ich nehme an, du bist nicht hier, um uns zu einem Drink oder einem Stim-Schuss einzuladen, Leeza.«
»Jedenfalls nicht in diesem Laden«, antwortete Leeza mit ihrer rauen Stimme. »Gehen wir.«
Sie musterte Jake noch einmal, und irgendetwas… ließ ihn innerlich frösteln. Irgendetwas stimmte nicht. Er fand seine Stimme wieder und war erleichtert, dass sie kräftig und entspannt klang. »Wie lange kennen Sie sich schon?«
»Sechs Jahre«, sagte R. M. »Wir haben eine Menge durchgemacht, was, Leez?«
Leeza grinste. »Das kannst du laut sagen. Aber je schneller wir hier rauskommen, desto lieber ist es Ethan und mir. Kommt.«
Zamara…?
Sie ließ die Schranken fallen. Jake wappnete sich für den Ansturm der drogenumnebelten Gedanken und Empfindungen und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf Leeza.
Rosie ist nicht dumm. Und Ethan wird gleich hier sein. Wenn ich diese Witzfigur, die sie mitgebracht hat, nicht dazu bringe, dass er sich in Bewegung setzt, wird es zu spät sein…
Er starrte Leeza an. Sie starrte zurück. Rosemary sah von einem zum anderen. Jake schüttelte den Kopf. »Nein.« Als Leeza mit der Hand nach dem Holster ihrer Handfeuerwaffe griff, riss R. M. ihre eigene schon heraus und schoss ihrer früheren Kollegin mitten ins Gesicht.
Leezas unerschrockene Züge verschwanden in einer Wolke aus Blut, Knochen und Hirnmasse.
Jake zuckte unter dem Schuss zusammen. Schreie brandeten auf.
»Verdammt, Jake, ich hoffe Sie hatten Recht, was sie angeht«, schrie Rosemary, während sie Jake zum Ausgang stieß. Jake stolperte über einen daliegenden Körper und versuchte, sich nicht zu übergeben. Er spürte, wie Zamara die schützende Barriere wieder aufbaute, und beruhigte sich ein wenig. Er rappelte sich auf und rannte so schnell er konnte in Richtung Ausgang.
Rosemary schoss im Laufen, und Jake hatte den beklemmend mitleidslosen Gedanken, dass die armen Sklaven nun mehr würden aufwischen müssen als nur Exkremente.
»Bleib dicht bei mir!«, rief Rosemary. Jake gehorchte. Sie stürmten zur Tür hinaus und jagten die Straße hinunter. Er spürte, wie Zamara sich in seinem Geist regte, und die Barriere wurde abermals gesenkt.
Konzentrier dich, Jacob. Lausche auf die Gefahr inmitten der Furcht und Wut.
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