Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
er jetzt. Leider fand er außer einer Made und einer Spinne nichts mehr. Er hatte ohnehin keine Zeit. Jenna war womöglich in Gefahr.
Er blickte ein weiteres Mal nach oben, wo die Burgmauer in den nachtschwarzen Himmel wuchs und kein Ende zu nehmen schien. Wenn er dort hinaufgelangen könnte … Niemand würde vermuten, dass er über die Rückseite des Gebäudes angriff. Auf den Zinnen gab es einen Wachturm, in dem kein Licht brannte, doch Kyrian wi t terte, dass er besetzt war. Außerdem sah er noch besser im Dunkeln als sonst. Die neuen Fähigkeiten, die er vermutlich Jenna verdankte, weil sie seine Gargoyle-Instinkte geweckt hatte, wollte er voll einse t zen, um sie zu retten.
Was hatte Dante bloß mit ihr vor?
Es gab nur eine logische Erklärung: Er wollte sich die Gunst seines Vaters erschleichen. Aber warum erst jetzt? Worauf hatte Dante die ganze Zeit gewartet? Er war doch bereits länger mit Jenna verbu n den.
Neue Wut und der Drang, Jenna zu befreien, weckten Kyrians L e bensgeister. Energisch trieb er die Klauen in die Mauer, sodass Steinchen herabrieselten. Die messerscharfen Krallen blieben ta t sächlich stecken. Wow, Kyrian liebte sein neues Ich.
Mit aller Kraft zog er sich nach oben, setzte eine Hand vor die a n dere und versuchte, mit den Stiefeln in Spalten Halt zu finden. Sein Gewicht nur mit den Fingern zu tragen strengte ihn an und forderte Muskeln, die er sonst kaum nutzte, doch er schaffte es sogar in b e achtlicher Geschwindigkeit, die gigantische Mauer zu bezwingen.
Kyr hätte versuchen können, die Schwingen verschwinden zu la s sen, aber er hatte Angst, keine Kraft mehr zu haben, um sie erneut hervorbrechen zu lassen. Falls er abstürzte, musste er keine Energie für eine Translokation verschwenden.
Oben angekommen, stellte er sich auf die Zinnen und sprang mit einem Satz in den Wachturm. Der überraschte Soldat hatte keine Chance. Kyr erledigte ihn, indem er ihm mit einem Ruck das Genick brach, noch bevor der Elf wusste, wie ihm geschah. Dann blickte Kyrian auf die leblose Gestalt … und zum ersten Mal kamen ihm Zweifel, ob er richtig gehandelt hatte. Er hätte den Mann auch a n ders außer Gefecht setzen können, ihn nur bewusstlos schlagen oder fesseln. Doch die Gefahr wäre zu groß, dass er Alarm schlug. Hier ging es um Jenna, er durfte sich kein Mitleid mit seinen Feinden e r lauben. Ob die neuen Emotionen ebenfalls durch seine Gargoylese i te hervorgerufen wurden? Gargoyles waren Beschützer … und bes a ßen einen außergewöhnlichen Geruchssinn, wie er abermals feststel l te. Der Duft von gebratenem Fleisch stieg ihm verlockend in die Nase und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Kyrian hob den Beutel auf, den er am Boden fand, und schnüffelte daran. Er enthielt Proviant. Hastig riss er den Stoff auseinander und schlang eine kalte Geflügelkeule sowie ein Stück Brot hinunter. Er spülte mit einem milden Rotwein nach, der in einer Flasche am Au s guck stand, begab sich erneut auf die Zinnen und sprang in die Tiefe.
Normalerweise würde er nie aus solcher Höhe springen, doch sein Beschützerinstinkt ließ ihn alle Ängste vergessen. Außerdem vertra u te er auf seine neuen Fähigkeiten. Sofort breitete er die Schwingen aus. Die ungewohnte Kraft, die nun auf seinen Schulterblättern last e te, gab ihm das Gefühl, als würden seine Sehnen und Muskeln re i ßen, aber er landete sicher und fast geräuschlos zwischen Mauer und Burg. In diesem Hinterhof waren weitere Ställe untergebracht; es gab Gärten, in denen Gemüse angebaut oder Nutztiere gehalten wurden. Große weiße Vögel, die den Gänsen der Menschenwelt ähnelten, schnatterten los und flatterten in ihrer Voliere umher, als sie ihn b e merkten. Rasch kletterte Kyrian auf das Stalldach und duckte sich, denn ein Wachmann mit einer Fackel in der Hand erschien und sah sich um.
»Blöde Viecher, machen nichts als Lärm und Dreck«, schimpfte der Elf. Bevor er verschwand, kontrollierte er jedoch die Ställe, aber aufs Dach blickte er nicht.
Kyrian durfte sich nicht in Sicherheit wiegen. Die Festung war schwer bewacht. Weitere Fackeln säumten den Hof auf der Rückse i te und Soldaten patrouillierten ununterbrochen um das riesige G e bäude.
Kyrian hielt sich dicht an der Mauer auf, sprang von einem Stal l dach zum anderen und bewegte sich in den Schatten, bis er die Tür sehen konnte, die in Dantes Turm führte. Das Gebäude war riesig, daher wollte er dort mit der Suche beginnen.
Er passte einen günstigen
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