Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
Moment ab, als ihm zwei Wachen den Rücken zukehrten, und segelte über den Hof bis vor die schmale Tür. Pech nur, dass sie verschlossen war.
Er stieß einen lautlosen Fluch aus und drückte die Schulter gegen das Holz. Er hätte die Tür auftreten können, doch das hätte jede Wache im Umkreis auf ihn aufmerksam gemacht.
Zum Glück gab das verrostete Schloss schnell nach und der Ei n gang war nicht zusätzlich von innen verriegelt. Kyrian schlüpfte ins Dunkel und schloss die Tür sofort hinter sich. Dann rannte er die schmalen Stufen nach oben, wobei er die Schwingen jetzt in seinem Körper verschwinden ließ. Das ging einfacher als gedacht, außerdem hatte die Nahrung ihn gestärkt, doch stechende Schmerzen waren eine unschöne Begleiterscheinung der Verwandlung. Er hatte schon schlimmere Qualen erlebt, also biss er die Zähne zusammen und lief, immer höher, immer schneller, obwohl in seinen Obe r schenkeln ein Feuer wütete. Leider hatte er seine gewohnte Ko n dition noch nicht zurück und in seinem Kopf drehte sich alles, doch die Sorge um Jenna trieb ihn an.
Ohne Schwingen kam er schneller im engen Aufgang voran, a u ßerdem könnten sie ihn bei einem Kampf eventuell behindern. Z u dem würde er weniger auffallen, wenn er einem anderen Elf bege g nete. Einmal in der Burg, hielt man ihn vielleicht für einen Laka i en, von denen der König Hunderte beschäftigte.
Kyrian hatte keinen Plan, wie er mit Jenna das Burggelände verla s sen sollte, weil er sich mit ihr nicht einfach translozieren konnte. Mit ihr aus einem Fenster segeln? Das würde nicht gut gehen. Die Schwingen schienen ihn gerade einmal selbst zu tragen. Dazu waren die Muskeln noch zu wenig ausgebildet. Er würde es sich nie verze i hen, wenn er mit Jenna abstürzte.
Mehr noch als die Muskeln brannten bald seine Lungen, doch da hatte er endlich das Ende der Stufen erreicht. Vorsichtig drückte er ein Wandgemälde zur Seite und lugte in den Gang, während er ve r suchte, zu Atem zu kommen. Er roch Jenna, sie musste vor Kurzem in der Nähe gewesen sein.
Eine Fackel erhellte eine Passage, die hauptsächlich die Diene r schaft nutzte. Im Moment war niemand zu sehen.
Er erinnerte sich noch zu gut daran, wie Dante ihn einst durch di e sen engen Treppenaufgang in die Festung geschmuggelt hatte. Sie waren beide noch halbe Jungs gewesen und Dante hatte zugesehen, als Kyrian sich während seiner Ausbildung gegen zwei bewaffnete Soldaten behaupten musste. Natürlich hatte er keine Chance gehabt. So war es oft gewesen.
Schwer verletzt und aus zahlreichen Wunden blutend hatten sie ihn im Staub liegen gelassen. Nur Dante war gekommen, hatte ihn hier heraufgeschleppt und zu einer Näherin gebracht, die ihn hei m lich zusammengeflickt hatte. Ans Bett gefesselt, damit er sich wegen der Schmerzen nicht wehrte, hatte er Stunden der Pein ertragen und sich gegen die Fesseln gesträubt, bis er das Bewusstsein verloren ha t te. Myra war während seiner Genesung bei ihm gewesen, um ihn zu füttern, als er nicht mal seinen Arm hatte heben können.
Dante hätte ihn verbluten lassen sollen, denn dieser Fehler würde ihm nun zum Verhängnis werden.
Es dauerte nicht lange, da erreichte Kyrian den Eingang zum Wohntrakt. Er war nicht gesichert, weil die Wachen am Ende des Ganges – ihm den Rücken zugekehrt – beim Treppenabgang sta n den, der zum großen Saal und zum Ausgang führte.
Tief durchatmend trat Kyrian aus den Schatten und wurde sich gewahr, dass er mit nacktem Oberkörper, der schwarzen Cargohose und den Einsatzstiefeln sehr elfenuntypisch aussah. Dennoch hoffte er, die Soldaten würden sich nicht umblicken. In der Burg war es neben der Translokationsblockade niemandem möglich, Angriffsm a gie zu wirken, daher musste er sich auf seine Sinne und Muskelkraft verlassen.
Behutsam öffnete er die Tür und lauschte kurz. Als er nichts hörte, huschte er in die Behausung des Königssohnes. Kyr offenbarte sich ein kleiner Vorraum, in dem sonst Besuch oder Personal empfangen wurde. Die Bediensteten konnten von dort zu beiden Seiten in eine kleine Küche oder andere Kammern gehen, während vor ihm, hinter einem Wandteppich versteckt, der Wohnraum lag. Das wusste er von Myra.
Seine Instinkte meldeten, dass Dante zu Hause war, daher schob Kyrian den Teppich zur Seite und trat ein, so leise er konnte.
Dante stand vor dem geöffneten Turmfenster, die Hände auf dem Sims abgestützt, und ließ den Kopf hängen. Als sich Kyrian a n schlich, wandte sich der Prinz um.
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