Dunkle Umarmung
lassen, als sie genau so etwas in einer ihrer Kunstzeitschriften gesehen hatte.
»Ja, ja, aber ich will, daß du auf einem Anwesen mit vielen Morgen Land lebst, mit Pferden und Teichen und einigen Dutzenden von Bediensteten und einem eigenen Privatstrand.
Und…« Ihre Augen verschwammen träumerisch und schweiften in die Ferne, als sie dieses wunderbare Herrenhaus mit seinen Parkanlagen heraufbeschwor, »…sogar einen Irrgarten wird es haben.«
Sie schüttelte den Kopf, als bemühte sie sich, aus ihren Tagträumen zu erwachen, und mit langen, anmutigen Bürstenstrichen begann sie wieder, ihr wallendes Haar zu glätten. Sie sagte, man müsse es abends mit mindestens hundert Bürstenstrichen durchbürsten, damit es geschmeidig und gesund blieb, und das Haar einer Frau sei ihre Krone.
Gewöhnlich trug sie es aufgesteckt oder aus dem Gesicht zurückgebunden, damit man ihr klassisches Profil sehen konnte.
»Jedenfalls waren meine Schwestern, die
Bügelbrettzwillinge, schrecklich eifersüchtig, weil mein Vater mir soviel Liebe entgegenbrachte. Oft hat er mir etwas Schönes mitgebracht und nur praktische Dinge wie Nähkästchen und Häkelnadeln für die beiden. Sie wollten ja ohnehin keine hübschen Haarschleifen oder neue Ohrringe oder Kämme haben. Sie haben mich dafür gehaßt, daß ich hübsch war, das verstehst du doch? Und sie hassen mich immer noch dafür.«
»Aber dann ist dein Vater gestorben, und dein älterer Bruder ist zum Militär gegangen«, sagte ich, weil ich es kaum abwarten konnte, zum romantischen Teil der Geschichte zu gelangen.
»Ja, und wie sehr sich die Dinge änderten! Dann wurde ich wirklich zum armen Aschenbrödel. Sie haben mich alle Hausarbeiten verrichten lassen, und immer wieder haben sie meine hübschen Sachen vor mir versteckt. Wenn ich nicht getan habe, was sie wollten, haben sie meine Kämme zerbrochen oder meinen Schmuck vergraben. Sie haben all meine Kosmetiksachen weggeworfen«, erzählte sie haßerfüllt.
»Aber was war mit deiner Mutter? Was hat Großmama Jana gesagt?« Ich kannte die Antwort, aber ich wollte sie von ihr hören.
»Nichts. Sie fand es gut so. Sie war der Meinung, mein Vater hätte mich ohnehin zu sehr verwöhnt. Sie ist genauso wie die beiden, auch wenn sie sich heute anders verhält. Und du brauchst nicht zu glauben, nur weil sie dir zum Geburtstag diese Anstecknadel mit der Kamee geschenkt hat«, fügte sie hinzu, als ihr Blick auf die Kamee auf meiner Frisierkommode fiel, »hätte sie sich auf irgendeine Weise verändert.«
»Die Kamee ist wunderschön, und Daddy sagt, daß sie sehr, sehr wertvoll ist.«
»Ja, ich habe sie vor Jahren darum gebeten, aber sie wollte sie mir nicht geben«, sagte sie erbittert.
»Möchtest du sie haben, Mama?«
»Nein. Sie gehört dir«, sagte sie nach einem Moment. »Sie hat sie dir geschenkt. Paß nur gut darauf auf, das ist alles. Wo war ich überhaupt stehengeblieben?«
»Sie haben deinen Schmuck vergraben.«
»Meinen Schmuck… o ja, ja. Und meine besten Kleider haben sie auch zerrissen, meine teuersten Kleider. Einmal hat sich Beatrice in einem Wutanfall in mein Zimmer geschlichen und hat mit einem Küchenmesser eines meiner Kleider zerschnitten.«
»Wie grausam!« rief ich aus.
»Natürlich leugnen sie bis zum heutigen Tage, all das getan zu haben. Aber sie haben es getan, das kannst du mir glauben.
Einmal haben sie sogar versucht, mir mein schönes Haar abzuschneiden; sie haben sich an mich herangeschlichen, als ich geschlafen habe, und sie wollten es mit ihren langen Nähscheren stutzen, aber ich bin gerade noch rechtzeitig aufgewacht und…« Sie erschauerte, als sei das, was nun folgte, zu schrecklich, um es auszusprechen. Dann begann sie wieder, sich das Haar zu bürsten, und sprach weiter. »Dein Vater war wegen geschäftlicher Angelegenheiten nach Texas gekommen, und meine Mutter, die damals noch Umgang mit dem Adel pflegte, hat ihn bei einem Abendessen kennengelernt und ihn zu uns nach Hause eingeladen, denn sie wollte, daß er sich in deine Tante Peggy verliebt.
Aber als sein Blick auf mich gefallen ist…« Sie unterbrach sich und lehnte sich zurück, um sich im Spiegel anzusehen.
Mama hatte unglaublich glatte Haut, und nicht ein Fältchen wagte es, sich zu zeigen. Sie hatte ein edles Gesicht, ein Gesicht, wie man es auf einer Kamee finden konnte oder auf dem Titelblatt von Vogue. Sie hatte leuchtendblaue Augen, die deutlich ihre Stimmungen ausdrückten: strahlend hell wie Weihnachtskerzen, wenn
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