Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
Du musst dich doch deswegen nicht schämen. Ist dir kalt? Ich glaube, so nass wie du bist, bekommst du bestimmt gleich Halsschmerzen. Also, ich hätte da ein Mittel gegen Halsschmerzen. Es ist etwas bitter, aber danach geht es dir sofort besser. Es ist eine Klostermedizin, die wirkt immer. Weißt du was? Ich schenke dir etwas davon. Sie ist eigentlich sehr teuer, aber dir schenke ich sie gern. Also, mach das so wie ich. Du leckst einen Finger an, dann stippst du ihn in das Zauberpulver und lutschst daran wie an einem Bonbon … so, siehst du? Los, jetzt bist du dran. Ja, so ist’s gut. Jetzt lutsch daran. Was habe ich dir gesagt? Ziemlich bitter, aber gute Medizin ist immer bitter …«
Signorini verstummte und schlug sich die Hände vors Gesicht. Als die Standuhr schlug, zuckte er zusammen, aber er nahm die Hände nicht herunter. Casini hatte angeekelt zugehört und keinen Ton gesagt. Der arme Giacomo. Um ihn in die Fänge des Todes zu treiben, hatte sich das Schicksal mächtig ins Zeug gelegt … Wenn es nicht so in Strömen geregnet hätte, wenn das Auto seiner Mutter nicht kaputt gewesen wäre, wenn sein Vater nicht wegen eines Unfalls im Stau stecken geblieben wäre, wenn ein perverser, drogenabhängiger junger Mann sich nicht im Datum vertan hätte …
Signorini ließ die Hände auf die Knie sinken, und nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, fuhr er fast unhörbar leise fort.
Das Morphium wirkte innerhalb kürzester Zeit. Der Junge konnte seine Augen nicht aufhalten, und aus dem Mund rann ihm ein Speichelfaden. Italo war in die Via Luna gefahren, hatte die Wohnung betreten und das Kind in den Keller gebracht. Er legte den Knaben auf das Bett, gab ihm eine Morphiumspritze und schloss ihn ein. Der Junge würde jetzt einige Stunden schlafen, aber auch wenn er erwachte, wäre das nicht schlimm. Er konnte so viel schreien, wie er wollte, keiner würde ihn hören.
Italo rief die anderen an und sagte ihnen, er hätte für sie einen Leckerbissen gefunden. Sie verabredeten sich für den Abend direkt nach dem Essen. Italo ging wesentlich früher hin und verpasste dem vor sich hin dämmernden Jungen eine weitere Morphiumspritze, wobei er darauf achtete, dass es keine Überdosis war.
Als Erster traf Beccaroni ein. Er spähte durch die Kellertür und begriff sofort, dass Italo dieses Mal zu weit gegangen war. Das war eine Entführung, verfluchter Mist, darauf standen dreißig Jahre Gefängnis. Sie schlossen die Tür und warteten auf die anderen. Panerai kam kurz danach, zusammen mit Monsignore Sercambi. Man erklärte ihnen, was los war. Sie waren alle einer Meinung, das Ganze sei Wahnsinn, aber keiner konnte sich zu einer Entscheidung durchringen. Gattacci kam auch, doch als er erfuhr, worum es ging, machte er sich erschrocken davon.
Die Atmosphäre war äußerst angespannt, und ab und zu lachte jemand von ihnen hysterisch. Sie schnupften etwas Kokain, vermischt mit Morphium, und nach einer Weile erklärte Panerai seinen Plan … »Jetzt ist das Kind schon mal in den Brunnen gefallen … Wir stecken alle bis zum Hals mit drin … Überlegt doch mal … So eine Gelegenheit bekommen wir kein zweites Mal … Wir werden uns vorsehen … Nur dieses eine Mal … Ganz langsam … Mit Masken, wie immer … Er hat ja nur Italo gesehen, aber den wird er bestimmt nicht wiedererkennen … Wir haben ein wenig Spaß, was ist denn schon dabei? … Dann betäuben wir ihn mit Morphium und lassen ihn irgendwo liegen … Ich kann ja irgendein Auto aufbrechen und ihn da reinlegen … Ich kann Autos knacken, das ist kein Problem … Morgen wird der Junge bei seiner Mutter sein, und in ein paar Tagen hat er alles vergessen und spielt unbekümmert mit seinen Zinnsoldaten … Was meint ihr?«
In der Stille konnte man sogar ihren Herzschlag hören. Sie schüttelten die Köpfe, seufzten und bissen sich auf die Lippen. Doch als Monsignore Sercambi sich bekreuzigte, gab es für sie kein Halten mehr. Nach einem kurzen Blickwechsel zogen sie sich die Karnevalsmasken übers Gesicht und gingen in den Keller hinunter. Der Junge war noch betäubt, aber inzwischen war er bei Bewusstsein, und in seinen Augen stand Panik.
»Aber nein, du musst doch keine Angst haben … Ganz ruhig … Wir wollen dir nichts tun … Jetzt schrei doch nicht, du kleine Nervensäge … Schau, es wird dir gefallen … Ganz brav … Aua, verfluchte Scheiße … Schau mal, wie dieses Hundchen beißen kann … Haltet ihn fest … Schaut doch nur, was für ein süßer Po
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