Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman
…«
»Hast du Angst, dass ich dir an die Wäsche gehe?«, fragte Poggiali mit künstlich hoher Stimme. Der Kommissar lächelte.
»Weißt du, was ich immer gedacht habe? Selbst wenn ich als Frau geboren worden wäre, würden mir Frauen gefallen.«
»Du bist ein unheilbarer Chauvinist, doch das ist immer noch besser, als Bulle zu sein«, meinte Poggiali lachend. Er brachte Casini zur Tür, und sie gaben einander die Hand.
»Viel Glück, Commissario.«
»Danke. Bis bald, Poggiali.«
»Leb wohl«, meinte Poggiali realistischer. Der Kommissar ging langsam die Stufen hinunter, und als er das Haus verlassen hatte, zündete er sich eine Zigarette an. Casini wusste selbst, dass sie einander kaum wiedersehen würden. Er konnte sich nicht vorstellen, Poggiali zum Abendessen einzuladen oder mit ihm durch die Straßen des Stadtzentrums zu schlendern, obwohl er wusste, dass sie eigentlich Freunde hätten werden können. Dieser schwule Poggiali schien ein anständiger Kerl zu sein.
In der Nacht hatte es wieder heftig zu regnen begonnen, und es sah nicht danach aus, als würde es so bald wieder aufhören. Als Casini im Hof des Polizeipräsidiums parkte, war es nach neun Uhr. Er hatte mehr als eine halbe Stunde im Stau gestanden. Beim Aussteigen zog er sich den Mantel über den Kopf und hastete zur Eingangstür, doch als er das Gebäude betrat, war er bereits tropfnass. Rinaldi kam ihm mit dunkel geränderten Augen und blassem Gesicht entgegen und brachte ihn auf den neuesten Stand. Panerai war um zehn vor acht mit dem Lancia Flavia von zu Hause losgefahren, hatte aber nicht den Weg zur Metzgerei eingeschlagen. Er hatte in der Via Lungo l’Affrico auf Höhe der Via D’Annunzio kurz angehalten, um drei Männer aufzunehmen, die unter ihren Regenschirmen dort auf ihn gewartet hatten. Dann hatte der Lancia die Stadt Richtung Süden verlassen, hatte Pontassieve, Rufina, San Godenzo hinter sich gelassen und war geradewegs auf die Straße zum Muraglione gefahren.
»Wer ist im Wagen?«, fragte der Kommissar, während er zusammen mit Rinaldi zum Funkraum ging.
»Piras und Tapinassi«, sagte Rinaldi und versuchte vergeblich, ein heftiges Gähnen zu unterdrücken.
»Leg dich doch etwas hin.« Casini gab ihm einen Klaps auf die Schulter.
»Ich bin doch nicht müde.« Der Wachmann zuckte die Achseln. Als sie den Funkraum erreichten, nahm Casini sofort Kontakt zu Piras auf. Die Verbindung war so schlecht, dass der Sarde seine Sätze mehrfach wiederholen musste, bis man ihn verstand. Auch wo der Kollege war, regnete es. Der Metzger und seine Freunde fuhren in gemäßigtem Tempo. Sie hatten nur einmal kurz vor San Godenzo eine Rast eingelegt, um zu tanken und zu frühstücken
»Versuch, an ihm dranzubleiben«, meinte Casini. Als Antwort kam nur ein langes Rauschen, in dem Piras’ metallisch verzerrte Stimme kaum mehr wahrzunehmen war. Kurz darauf brach die Verbindung ganz ab. Das lag an den Bergen des Apennins.
»Ruft mich, sobald er sich wieder meldet.« Der Kommissar ging hoch in sein Büro, zog sich den nassen Mantel aus und öffnete ein Fenster, um zu lüften. Er zündete sich eine Zigarette an und rauchte, die Ellenbogen aufs Fensterbrett gestützt. Draußen regnete es in Strömen, so als würde es nie wieder aufhören. Vorüberfahrende Autos zogen lange Bugwellen hinter sich her.
Piras konnte die Verbindung erst eine Stunde später wiederherstellen, und Casini eilte in den Funkraum. Jetzt war die Stimme des Sarden klar und deutlich zu verstehen. Er nannte die Namen der Orte entlang der Straße: Il Poggio, Il Bagno, Bocconi, San Benedetto, Rocca San Casciano, Dovadola, Pieve Salutare … Der Lancia fuhr zielstrebig, als ob der Metzger oder einer der anderen Mitfahrer den Weg genau kennen würden.
»Wo zum Teufel wollen die denn bei dem Regen hin?«, murmelte Casini und fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht.
»Jetzt sind sie rechts abgebogen«, sagte Piras. Als das Zivilfahrzeug zur Kreuzung kam, las der Sarde das Straßenschild: Fiumana, Trivella und schließlich Predappio. Dort lag also ihr Ziel.
»Heute ist der achtundzwanzigste Oktober, Commissario.« Piras Stimme drang krächzend durch den Äther.
»Die Katze lässt das Mausen nicht«, sagte Casini enttäuscht. Also schwelgten Panerai und seine Kameraden am Jahrestag des Marsches auf Rom in Erinnerungen an die glorreiche Zeit des Faschismus, aber was hatte das mit dem Mord an Giacomo Pellissari zu tun?
»Was soll ich tun, Commissario?«, fragte der Sarde. Ihm war
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