Dunkle Wolken über den Schären: Mittsommerträume (German Edition)
seiner Tür zu erscheinen, so als wäre nichts geschehen – dazu gehörte schon eine gehörige Portion Kaltblütigkeit. Und es sich dann auch noch frech auf seiner Veranda bequem zu machen. Wirklich ein starkes Stück!
Allerdings, und das irritierte ihn ein wenig, machte sie im Moment eigentlich gar keinen besonders selbstsicheren Eindruck auf ihn. Ganz im Gegenteil. Sie war verärgert, aber Magnus glaubte auch so etwas wie Verzweiflung in ihren bezaubernden türkisblauen Augen auszumachen.
Lass dich von ihr nicht täuschen, ermahnte er sich selbst. Jenny Mälarsson ist einfach nur eine sehr gute Schauspielerin, nichts weiter. Die in Seenot geratene Seglerin hast du ihr schließlich auch abgekauft, dabei war das wahrscheinlich ebenfalls ein ausgeklügelter Trick, um an dich heranzukommen. Da siehst du mal, wie weit diese Frau zu gehen bereit ist!
Aber glaubte er das wirklich? Dass sie aussah wie ein Engel, ließ nicht automatisch auf ihren Charakter schließen. Vielleicht steckte in ihr die Seele einer Teufelin. Einer verflixt attraktiven Teufelin.
Magnus spähte noch einmal zum Fenster hinaus. Ein Fehler, denn ihr Anblick ließ seinen Mund trocken und seine Handinnenflächen feucht werden.
Jenny stand am Ende der Veranda, sodass er sie von der Seite sehen konnte, und schaute gedankenverloren hinaus aufs Meer. Der Wind spielte mit einigen blonden Locken, die sich aus dem Knoten in ihrem Nacken gelöst hatten. Das kurze schwarze Kleid betonte ihre weiblichen Rundungen, und die hochhackigen Schuhe waren einfach nur sexy.
Gerade als er sich endlich dazu durchringen konnte, sich abzuwenden, schlang sie ihre Arme um den Körper, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Ihre leicht geöffneten Lippen schimmerten verführerisch, luden gerade zum Küssen ein und …
Reiß dich zusammen!
Hastig ließ er den Vorhang los, so als habe er sich daran verbrannt. Sein Atem ging schwer. Was stellte diese Frau nur mit ihm an? So etwas hatte er nie zuvor erlebt, und ihm waren in seinem früheren Leben, als sein Name noch Magnus Persson lautete, schon viele attraktive Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts begegnet.
Jenny Mälarsson aber war etwas ganz Besonderes.
Sie gehörte zu der Sorte von Frauen, die jedem Mann gefährlich werden konnte. Sie war listig, berechnend und falsch, und wenn es darum ging, ihre Ziele zu erreichen, auch vollkommen skrupellos.
Und obgleich er dies alles wusste, fühlte er sich mehr zu ihr hingezogen als zu jeder anderen Frau vor ihr.
Aber er würde dem natürlich nicht nachgeben. Sollte sie doch da draußen stehen, bis sie Wurzeln schlug. Ihn interessierte das nicht.
Er ging hinauf in sein Arbeitszimmer, das sich in der oberen Etage seines Hauses befand. Wenn sie ihn schon davon abhielt, zusammen mit Fredrik an der
Santa Maria
weiterzuarbeiten, konnte er sich wenigstens um den längst überfälligen Papierkram kümmern.
Magnus öffnete die Balkontür – von hier oben hatte man einen herrlichen Blick auf die anscheinend endlosen Weiten der Ostsee –, setzte sich hinter seinen Schreibtisch und nahm die erste Lieferantenrechnung aus dem Posteingangskorb. Gerade wollte er sie auf Richtigkeit prüfen, als er plötzlich ein merkwürdiges Geräusch vernahm.
Stirnrunzelnd stand er auf und trat auf den Balkon hinaus. Sie
sang
doch nicht etwa?
Fasziniert lauschte er ihrer sanften, wohlklingenden Stimme. Die Melodie kam ihm entfernt bekannt vor, er wusste, dass er sie schon einmal irgendwo gehört hatte. Und dann fiel es ihm plötzlich wieder ein: Es handelte sich um ein Lied aus einem Liebesfilm, den er vor Jahren einmal mit der Tochter einer Bekannten angeschaut hatte.
Merkwürdig, das schien so gar nicht zu ihr zu passen. Besaß sie am Ende doch eine romantische Ader, oder gehörte all dies ebenfalls zu ihrem raffinierten Plan, ihn für sich zu gewinnen?
Ihr Gesang verstummte abrupt, als das schrille Klingeln eines Mobiltelefons erklang. Kurz darauf hörte er, wie sie sich meldete.
“
Hej
, Anni-Frid”, sagte sie. “Was gibt es denn so Dringendes? Ich habe doch gesagt, dass ich heute Abend nur in einem absoluten Notfall gestört werden will.”
Magnus wollte gerade in sein Büro zurückgehen und die Balkontür hinter sich schließen, als ihr nächster Satz ihn verharren ließ: “Wie bitte? Olof Lindh war da? Aber … Hat er gesagt, was er wollte? Nein Anni-Frid, ich kann jetzt auf gar keinen Fall kommen! Ja, wenn es wichtig war, wird er sich schon noch einmal
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