Dunkler Dämon

gewesen sei, und ich begann sie zu glauben. Seine Reaktion auf das Ding auf dem Tisch waren weder Schock noch Ekel oder Zorn gewesen, sondern etwas weitaus Interessanteres: Wiedererkennen. Noch am Tatort hatte er mit Captain Matthews darüber gesprochen, um was es sich handelte und wen er davon in Kenntnis setzen musste. Dieser spezielle Jemand hatte Chutsky geschickt. Und deshalb hatte ich Recht gehabt, als ich bei der Konferenz dachte, dass Chutsky und Doakes sich kannten – denn was immer auch vor sich ging und was Doakes darüber wusste, Chutsky wusste es ebenfalls, vermutlich sogar noch genauer, und er war gekommen, um es vom Tisch zu fegen. Und wenn Doakes etwas darüber wusste, musste es einen Weg geben, seine Vergangenheit auf irgendeine Weise gegen ihn zu benutzen und so den armen demoralisierten Dexter von seinen Ketten zu befreien.
    Es war ein brillanter, rein logischer Gedankengang; ich begrüßte die Wiederkehr meines Gigantenhirns und klopfte mir innerlich auf die Schulter. Braver Junge, Dexter. Wuff, wuff.
    Es ist immer nett, wenn sich die Synapsen auf eine Weise kurzschließen, die bestätigt, dass die Meinung, die man von sich hat, gelegentlich gerechtfertigt ist. Und in diesem speziellen Fall war es sehr wahrscheinlich, dass mehr auf dem Spiel stand als Dexters Selbstachtung. Falls Doakes etwas zu verbergen hatte, war ich einen Schritt weiter auf meinem Weg zurück ins Geschäft.
    In einigen Dingen ist der Dynamische Dexter sehr gut, und manche davon können sogar legal in aller Öffentlichkeit getan werden. Eins dieser Dinge ist die Nutzung eines PC s zur Beschaffung von Informationen. Diese Fähigkeit hatte ich entwickelt, um mich neuer Freunde wie MacGregor oder Reiker zu vergewissern. Abgesehen davon, dass ich die unerfreuliche Situation vermeiden möchte, die falsche Person aufzuschlitzen, gefällt es mir auch, meine Hobbykollegen mit Beweisen ihrer früheren Indiskretionen zu konfrontieren, ehe ich sie ins Land der Träume schicke. PC und Internet sind wunderbare Hilfsmittel, um diese Sachen zu finden.
    Falls Doakes also etwas zu verbergen hatte, war ich ziemlich sicher, es finden zu können oder zumindest ein loses Ende zu entdecken, an dem ich ziehen konnte, bis sich seine ganze düstere Vergangenheit aufzurollen begann. Wie ich ihn kannte, war ich mir gewiss, dass sie deprimierend und dexterhaft sein würde. Und falls ich das gewisse Etwas fand … Vielleicht war es naiv von mir, zu glauben, dass ich diese hypothetische Information nutzen konnte, um ihn von mir abzubringen, aber es war ein Versuch wert. Nicht, indem ich ihn direkt damit konfrontierte und verlangte, er möge die Klappe halten und verschwinden, was bei jemandem wie Doakes keine allzu gute Idee wäre. Abgesehen davon wäre es auch Erpressung, und man hat mir gesagt, die sei verboten. Aber Wissen ist Macht, und ich würde mit Sicherheit eine Möglichkeit finden, einzusetzen, was immer ich fand – auf eine Art, die Doakes etwas zum Nachdenken geben würde, ohne Dexter ins Zwielicht zu rücken oder seinen Kreuzzug für Anstand und Moral zu beeinträchtigen. Und ein Mann, dessen Hosen brennen, nimmt sich normalerweise wenig Zeit, sich Sorgen über die Streichholzschachtel eines anderen zu machen.
    Ich spazierte glücklich vom Büro des Captains den Flur hinunter zu meinem kleinen Kabuff im Blutlabor und machte mich sofort an die Arbeit.
    Ein paar Stunden später hatte ich alles, was ich entdecken konnte.
    In Sergeant Doakes’ Akte fanden sich überraschend wenig Einzelheiten. Das wenige, das ich las, ließ mich nach Luft schnappen. Doakes hatte einen Vornamen! Er lautete Albert – hatte ihn wirklich jemals jemand so genannt? Unvorstellbar. Ich hatte angenommen, sein Name sei Sergeant. Und er war auch geboren worden – in Waycross, Georgia. Würden die Wunder niemals enden? Ich fand noch mehr, noch Interessanteres; ehe er zu dieser Abteilung stieß, war Sergeant Doakes – Sergeant Doakes gewesen! Bei der Armee – ausgerechnet bei einer Spezialeinheit! Die Vorstellung von Doakes, wie er im Grünzeug neben John Wayne marschierte, war fast mehr, als ich mir ausmalen konnte, ohne einen Militärmarsch anzustimmen.
    Diverse Auszeichnungen und Medaillen waren aufgeführt, aber ich konnte keine Erwähnung heroischer Taten entdecken, mit denen er sie verdient hatte. Trotzdem fühlte ich mich gleich viel patriotischer, einfach weil ich den Mann kannte. Der Rest seiner Akte enthielt praktisch keine Einzelheiten. Das einzig