Dunkler Dämon
drehte sich um und verschwand den Flur hinunter.
»Wirklich, Dexter«, sagte Rita. »Das musst du wirklich nicht.«
Und natürlich wusste ich, dass ich nicht musste. Aber warum sollte ich nicht? Es würde mir vermutlich nicht wehtun. Abgesehen davon wäre es nett, mal ein paar Stunden zu entfliehen. Besonders Doakes. Und auf jeden Fall – wieder wusste ich nicht, warum, aber Kinder bedeuten mir etwas. Mir werden beim Anblick von Stützrädchen an einem Fahrrad mit Sicherheit nicht die Augen feucht, aber im Großen und Ganzen finde ich Kinder wesentlich interessanter als ihre Eltern.
Als am nächsten Morgen die Sonne aufging, tuckerten Cody und ich gemächlich auf meinem kleinen Fischerboot den Kanal nicht weit von meiner Wohnung entlang. Cody trug eine gelbblaue Schwimmweste und saß sehr still auf dem Eiskasten. Er war ein bisschen in sich zusammengesunken, so dass sein Kopf beinahe in der Weste verschwand, was ihn wie eine leuchtend bunte Schildkröte aussehen ließ.
Im Eiskasten waren Sprudelwasser und ein Picknick, das Rita für uns zubereitet hatte, ein leichter Imbiss für zehn bis zwölf Personen. Ich hatte tiefgefrorene Garnelen als Köder mitgenommen, da dies Codys erster Angelausflug war und ich nicht wusste, wie er darauf reagieren würde, einen scharfen Metallhaken durch etwas Lebendiges zu bohren. Ich genoss es natürlich – je lebendiger, desto besser! –, aber man kann von einem Kind keine so anspruchsvollen Vorlieben erwarten.
Ich steuerte aus dem Kanal in die Biscayne Bay und weiter in Richtung Cape Florida, zu dem Kanal, der hinter dem Leuchtturm verlief. Cody schwieg, bis wir in Sichtweite von Stiltsville waren, dieser seltsamen Ansammlung von Pfahlbauten in der Mitte der Bucht. Dann zupfte er an meinem Ärmel. Ich beugte mich zu ihm hinunter, um ihn über den Lärm des Motors und des Windes verstehen zu können.
»Häuser«, sagte er.
»Ja«, brüllte ich. »Manchmal sind sogar Leute drin.«
Er betrachtete die Häuser, während wir daran vorbeifuhren, und während sie hinter uns zu verschwinden begannen, setzte er sich wieder auf den Eiskasten. Als sie fast nicht mehr zu sehen waren, drehte er sich noch einmal nach ihnen um. Danach saß er einfach nur da, bis wir Fowey Rock erreichten und ich den Motor drosselte. Ich schaltete in den Leerlauf, warf den Anker über die Reling und wartete, bis ich sicher war, dass er gegriffen hatte, bevor ich den Motor abstellte.
»In Ordnung, Cody«, sagte ich. »Jetzt ist es an der Zeit, ein paar Fische zu töten.«
Er lächelte, ein sehr seltenes Ereignis. »Okay«, antwortete er.
Er sah mit konzentrierter Aufmerksamkeit zu, als ich ihm zeigte, wie man die Garnele am Haken befestigt. Dann versuchte er es selbst, schob den Haken langsam und vorsichtig hinein, bis die Spitze auf der anderen Seite herauskam. Er sah auf den Haken und dann zu mir hoch. Ich nickte, und er sah wieder auf die Garnele, berührte die Stelle, wo der Haken den Panzer durchbohrt hatte.
»Sehr gut«, sagte ich. »Nun wirf ihn ins Wasser.« Er sah zu mir auf. »Das ist dort, wo die Fische sind«, sagte ich. Cody nickte, hängte seine Angelrute über die Reling und drückte auf den Freispulknopf an seiner kleinen Zebcorolle, um den Köder ins Wasser fallen zu lassen. Ich warf meinen eigenen Köder aus, und wir saßen dort und schaukelten auf den Wellen.
Ich beobachtete Cody, der wild konzentriert angelte. Vielleicht war es die Kombination aus offener See und kleinem Jungen, ich konnte mir nicht helfen, ich musste an Reiker denken. Obwohl ich ihn nicht ungefährdet durchleuchten konnte, war ich mir seiner Schuld gewiss. Wann würde er erfahren, dass MacGregor verschwunden war, und wie würde er darauf reagieren? Es schien sehr wahrscheinlich, dass er in Panik geraten und ebenfalls verschwinden würde – und doch, je länger ich darüber nachdachte, desto stärker begann ich das zu bezweifeln. Der Mensch hat ein natürliches Widerstreben, sein ganzes Leben aufzugeben und irgendwo anders neu anzufangen. Vielleicht würde er nur eine Weile vorsichtig sein. Und falls dem so war, konnte ich meine Zeit mit dem neuen Eintrag in meinem äußerst exklusiven Gesellschaftsregister ausfüllen, wer auch immer das Jaulende Gemüse der 4th Street geschaffen hatte, und die Tatsache, dass dies klang wie ein Sherlock-Holmes-Titel, machte es nicht weniger dringend.
Irgendwie musste ich Doakes neutralisieren. Irgendwie, irgendwann in Kürze musste ich …
»Wirst du mein neuer Vater?«,
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