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Dunkler Schnee (German Edition)

Dunkler Schnee (German Edition)

Titel: Dunkler Schnee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Klein
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Wer?
    „Bruno!“ Marisa kämpft sich vorwärts; die Gestalt am Ufer ist weg. „Bruno! Nicht! Nicht auch noch du!“
    Sie sieht für den Bruchteil eines Hoffnungsschimmers Brunos Kopf über dem Eis. Schließlich erreicht sie die Stelle, von der aus Bruno losgelaufen ist.
    Doch der Hund ist fort, vom Wasser verschluckt, von Eis bedeckt.
    Fassungslos knickt Marisa ein, lässt sich auf die Knie fallen, ungeachtet der Feuchtigkeit, die ohne Verzögerung ihre Jeans und Strumpfhose durchnässt. „Bruno“, schluchzt sie nur noch leise. Der Drang, auf den See zu laufen und den Hund zu retten, ordnet sich der Vernunft unter, die sich merkwürdigerweise gleich zu Wort meldet. Marisa würde genauso schnell einbrechen, es ist hoffnungslos. Sie versucht das Bild in ihrem Kopf, wie Bruno sich noch sekunden- oder gar minutenlang durch das eisige Wasser kämpft und keine Möglichkeit zum Luftholen findet, zu vertreiben; ermahnt sich selber zum ruhigen Atmen, dabei ist sie nahe daran, einen Panikanfall zu bekommen. Marisa blickt an die Stelle, an der sie Bruno zuletzt gesehen hat, ihre Augen verengen sich, um besser den Kontrast von Eis und Wasser zu erkennen, doch mit Tränen vor dem Blick ist kein Fixieren möglich. Sie weiß nicht, was sie tun soll. Bleiben? Gehen? Die Polizei anrufen? Adam? Da meldet ihr Handy eine SMS.
    „Gluck, gluck …“, lautet die Nachricht.
    Entsetzt starrt Marisa auf ihr Display. Es dämmert ihr erst nach Sekunden, dass Bruno absichtlich in den Tod geschickt wurde. Und zwar von einem Deutschen. Kann es möglich sein, dass …? Sie wagt nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen. Sie springt auf. Der Schuss ist demnach auch nicht zufällig abgegeben worden. Wo ist der Kerl? Sie blickt sich um, doch außer Bäumen, Schnee, Gestrüpp sieht sie nichts. Sie sucht nach Fußspuren. Eben war er noch da, es muss Spuren geben! Sie irrt wie ein Spürhund ohne Fährte hin und her und findet endlich die Abdrücke, die zweifelsfrei nicht die eigenen sind, und folgt ihnen. Doch das Gestrüpp wird dicht, die Schneehöhen sind unterschiedlich, viele Stellen vereist, schon nach wenigen Metern verliert sie die Fährte. Sie bleibt stehen, und wieder wollen die Tränen sie übermannen. Was, wenn er sie beobachtet? Was, wenn es tatsächlich …? Wieder und wieder verwirft sie ihre Vermutung, aber sie spürt Angst aufsteigen. Angst, die sich neben ihrer Wut und Trauer wie ein Bleigewicht auf die Seele legt. Warum musste ihr Hund das Opfer sein? Warum?
    Sie holt noch einmal ihr Handy hervor. Die Nummer des Senders der SMS ist nicht mitgesendet worden. „Natürlich nicht“, murmelt sie, dann hört sie wieder den Motor eines Quads.
    Sie läuft dem Geräusch hinterher, stolpert, reißt an Zweigen, die ihr im Weg sind, merkt nicht, dass ihre Wange eine dicke Schramme abbekommt und ihre Mütze in den Schnee fällt. Sie bleibt wieder stehen, lauscht, das Geräusch ist noch da. Sie kämpft sich minutenlang durch den Wald, findet sich plötzlich in einem Garten wieder, läuft über das fremde Grundstück und folgt der Zufahrt, bis sie auf eine schmale, unbefestigte Straße trifft. Hier läuft sie, doch schon bald merkt sie, dass sie außer ihrem eigenen Keuchen nichts mehr hört. Das Quad ist weg. Sie bleibt stehen, hält sich die Seite und fängt hemmungslos an zu schluchzen.
    Sie weiß, dass sie verloren hat. Den Hund, ihren Glauben, ihre Zuversicht. Es gewinnt die Verzweiflung, die Frage nach dem Warum, die auch in der Vergangenheit niemals eine Antwort bekommen hat. Doch die Verzweiflung ist Futter für Wut, die abrupt in ungekanntem Ausmaß anschwillt. Marisa blickt sich wieder um, Schnee, Bäume, Schotter, was soll sie tun? Ohne Anhaltspunkt sieht sie sich verloren in der kanadischen Landschaft. Wo ist das zarte Glücksgefühl hin? Alles aus. Sie beginnt zu zittern, die Wut fällt in sich zusammen wie ein Soufflee, was bleibt, ist nur das Futter.

7. Ein neuer Patient
    „Glückwunsch, Marisa, ich habe von deiner Verlobung gehört. Eure Beziehung habt ihr Zwei ja schön unter der Decke gehalten, Respekt!“ Kollegin Elke drückte Marisa kurz den Arm, nickte ihr anerkennend zu. „Gibt es denn einen Polterabend?“
    „Ja sicher, sobald wir den Hochzeitstermin festgelegt haben, sag ich euch allen Bescheid.“
    „Warum hast du mich nicht eingeweiht?“, fragte Elke leise; zwei Patienten saßen im angrenzenden Warteraum. Marisa blickte ihre Kollegin an. Diese war ihr in den letzten Jahren eine liebe Freundin geworden. Mit deren

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