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Dunkler Schnee (German Edition)

Dunkler Schnee (German Edition)

Titel: Dunkler Schnee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Klein
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Je mehr Leute es wussten, desto mehr würde sie erklären müssen, sollte sie sich gegen das Kind entscheiden. Marisa vertraute sich lieber ihrer Freundin an und machte sich die regelmäßigen Anrufe und Treffen wieder zur Gewohnheit. An einem Nachmittag im Frühherbst saßen sie in einem Biergarten der Kölner Altstadt beisammen. Es war dasselbe Lokal, in dem sie vor Monaten Volker entdeckt hatten.
    „Warst du endlich beim Arzt?“, fragte Yvonne, und ihre Stirn legte sich in zahlreiche Falten, sodass Marisa lächeln musste. „Du solltest den Pony wieder ins Gesicht tragen“, antwortete sie und zog genüsslich an ihrem Strohhalm.
    „Und dir steigt wohl der Orangensaft zu Kopf!“, antwortete Yvonne mit verärgertem Unterton. Doch dann lachte auch sie und schob sich die zur Seite gestrichenen Ponyfransen in die Stirn. „Besser?“
    „Viel besser!“
    „Spaß beiseite, Marisa, warst du beim Arzt?“
    „Ich hatte noch keine Zeit.“
    „Keine Zeit? So ein Blödsinn!“ Yvonne stellte ihren Eisbecher klirrend auf den Tisch und legte den Löffel daneben, dann beugte sie sich zur Freundin vor und sagte in eindringlichem Ton: „Du spielst mit deiner Gesundheit! Außerdem weißt du genau, dass die Frist für einen legalen Abbruch bald vorbei ist.“
    „Du meinst also, ich soll das Kind abtreiben?“
    „Ja, wolltest du das denn nicht?“ Yvonnes Augen wurden groß.
    „Nein, ich denke nicht.“ Marisa zog wieder am Strohhalm und beobachtete ihre Freundin. Die lehnte sich zurück, schien einen Augenblick nachzudenken, dann beugte sie sich wieder vor; sie ergriff Marisas Hand. „Das ist ja großartig! Endlich hast du dich entschieden! Mann! Klasse! Wissen deine Eltern es schon?“
    „Nee … damit werde ich auch noch warten. Bis man was sieht.“
    Yvonne guckte zweifelnd. „Das werden sie dir nicht verzeihen.“
    Marisa zog ihre Hand zurück. „Sag doch so was nicht! Sie werden schon noch genug Gelegenheit haben, sich auf ihre Großelternrolle zu freuen. Ich muss ja erst mal mit mir selber klarkommen. Und nächste Woche habe ich einen Termin beim Frauenarzt. Ich werde all die Vorsorgeuntersuchungen brav über mich ergehen lassen.“
    „Bravo, bin stolz auf dich“, antwortete Yvonne und setzte ein freches Grinsen auf. „Marisa wird Mama“, murmelte sie und schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf.

    Wenige Tage später erfolgte die erste gynäkologische Untersuchung. Marisa hatte mit klopfendem Herzen bei der Ultraschalluntersuchung das pulsierende Mini-Leben in ihrem Uterus auf dem Monitor im Behandlungsraum gesehen und war völlig perplex über ihre starke Gefühlsregung. Verschämt wischte sie ein paar Tränen fort, als der Arzt die Untersuchung beendete und sie zur elften Schwangerschaftswoche beglückwünschte.
    Die nüchternen Zahlen und Tabellen in ihrem Schwangerschaftspass, den sie von der Arzthelferin überreicht bekam, entzauberten sie wieder, und sie kam sich vor wie ein registriertes Muttertier.
    Kurz nagten Zweifel an ihr, ob sie den bevorstehenden Weg ohne Probleme würde gehen können. Die junge Arzthelferin gab ihr mit einem herzlichen Lächeln den Zettel, auf dem der nächste Termin verzeichnet war und sagte zum Abschluss: „Herzlichen Glückwunsch, Frau Demmer!“, und plötzlich fielen auch die letzten, kleinen, hartnäckigen Bedenken von ihr ab und spontan nahm sie sich vor, ihrer Mutter umgehend das Dokument vom Frauenarzt zu zeigen, um die Geheimniskrämerei aufzugeben. Ihren Vater würden sie zusammen mit den passenden Worten einweihen. Das war ein guter Plan, der ihr eine Menge Sicherheit gab; sie würde nicht mehr alleine dastehen. Den Kindsvater verschwunden zu wissen, war nicht die beste Voraussetzung, um die massiven Hormonveränderungen zu überstehen.

    Mit klopfendem Herzen stand Marisa schließlich vor ihrem Elternhaus und gab sich selber ein paar Minuten, um zur Ruhe zu kommen und die Konfrontation in Gedanken vorwegzunehmen. Sie versuchte, auf alles gefasst zu sein: Freude, Sorge, Verständnislosigkeit, Fragen mit den passenden Antworten. Als ihr Puls wieder auf einen normalen Taktschlag gefallen war, klingelte sie. Sie nahm sich nach dem Öffnen durch ihre Mutter noch nicht mal die Zeit, die Jacke auszuziehen, sondern hielt das Vorsorgeheft so, dass Gudrun gar nicht anders konnte als zuzugreifen. Diese nahm das gelbe Heft zunächst schweigend in die Hand, blätterte, schaute wiederholt auf das Deckblatt, wo Marisas Name verzeichnet war, brauchte einige Sekunden, um zu

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