Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Knöchel geschnallt hatte, und gab drei Schüsse ab, die in die Vorderwand schlugen; dann rannte er weiter. Er kam an einer Sattelkammer vorbei, riß die Sperrholztür hinter sich auf und ruderte gleichzeitig mit den Armen, als falle ein Hornissenschwarm über ihn her.
Ich hielt mich an einem Holzpfosten neben einer Box fest und feuerte ein ums andere Mal. Der Lärm war ohrenbetäubend, und der Rückstoß riß mir bei jedem Schuß die Hand hoch. Die Kugeln fetzten Splitter aus der in den Gang ragenden Sperrholztür, schlugen große Löcher ins Scheunentor und pfiffen durch die Dunkelheit, als ob Klaviersaiten rissen.
Staub, Strohfasern und Rauch tanzten im Schein der Gaslaterne. Mein rechtes Ohr war taub, so als habe jemand Eiswasser hineingegossen. Ich zog den Hahn halb zurück, schüttelte die leeren Hülsen heraus, drehte die Trommel, schob sechs neue Patronen durch die Ladeklappe und setzte den Hahn ab.
Ich humpelte langsam an den Boxen vorbei und schloß die zersplitterte Tür zur Sattelkammer. Felix Ringo lag am Boden, neben ihm die Automatik, in deren Verschluß eine nicht ausgeworfene Patronenhülse klemmte. An seiner Hüfte klaffte ein Riß in der Kleidung, und Blut quoll aus der Wunde, die wie eine zerdrückte Rose aussah.
»Mein Freund L. Q. Navarro hat immer gesagt, die kleinen Dinger, die man sich heimlich um den Knöchel schnallt, machen mächtig was her, aber sie haben einen Haken. Sie sind bloß für Liliputaner geeignet«, sagte ich und ließ mich auf einen Heuballen sinken.
»Ich brauch einen Arzt«, sagte Ringo.
Ich war völlig erledigt. Graue Kringel tanzten vor meinen Augen. Ich griff mir an die Brust und spürte etwas Warmes, Feuchtes und Klebriges.
»Sieht so aus, als ob’s uns beide erwischt hat, Felix.« Ich atmete vorsichtig ein und wischte mir den Schweiß aus den Augen. Dann zog ich die Spielkarte mit dem Abzeichen der Texas Rangers, auf der L. Q.s Todestag vermerkt war, aus der Brusttasche meines Hemds. »Erinnern Sie sich noch an die Spielregeln drunten in Coahuila? Wenn man verliert, kriegt man so eine in den Mund gesteckt.«
»Ich bin schwer verletzt. Schau, Mann, ich bin am Sterben, ich brauch einen Priester.«
»Sie haben Roseanne Hazlitt umgebracht, nicht wahr?«
»Ja, okay, das sind wir gewesen.« Er atmete mühsam durch die Nase.
»Und haben es so hingestellt, als wär’s Lucas Smothers gewesen?«
»Ja, auch das.«
»Und all das nur, um Jack Vanzandt zu decken.«
»Es hat eine Menge auf dem Spiel gestanden, Sachen, von denen Sie keine Ahnung haben, Mann. Fragen Sie die Guapa, die Frau von der DEA. Das is wie im Krieg, Mann. Da gibt’s halt Verluste. Hey, Mann, ich arbeite für Ihre Scheißregierung. Aber das wollen Sie ja nicht hören.«
Er starrte mich eine ganze Weile mit funkelnden Augen an, voller Haß und böser Vorahnung.
»Was haben Sie vor, Mann?« fragte er mit schriller Stimme.
»Ich glaube, Sie sind im Arsch, mein Guter«, erwiderte ich.
Schweißtropfen standen ihm im Gesicht, das durch den Blutverlust grau und fahl war. Er schloß die Augen. Sein Mund zitterte.
»Nein, da liegen Sie völlig falsch, Felix«, sagte ich. »Diese Karte hat L. Q. Navarro gehört. Ich denke nicht daran, sie mit Ihrem Blut zu besudeln. Aber Sie haben mir eine Kugel in die Brust gejagt. Das heißt, das heute abend keiner von uns beiden die Sanitäter holen kann.«
Ich zwinkerte ihm zu und grinste.
Ein schmaler Streifen Mondlicht fiel in den Gang, in dem es nach Staub, Feldmäusen und schimmligem Heu roch, nach frischer Hirschlosung, dem Duft der Blumen auf der Lichtung, nach kühlem Wind, feuchtem Farn und klarem Wasser, das über Steine plätscherte. Ich dämmerte vor mich hin, ließ mich treiben, bis der Himmel heller wurde und ein rosiger Lichtschein durch die Löcher in der Scheunenwand fiel und draußen auf dem Feld ein Trupp Bundesagenten mit blauen Hüten und Westen auftauchte, die langsam, die Waffen im Anschlag, durch den Nebel vorrückten wie Sendboten eines fernen Imperiums, allen voran eine hochaufgeschossene Frau mit braunen Sommersprossen, deren Finger sich kühl und fleischlos wie Alabaster anfühlten, als sie meine Stirn berührte.
Epilog
Felix Ringo war tot, als er ins Bezirkskrankenhaus eingeliefert wurde. Ich hatte das Gefühl, daß man ihm von seiten der DEA von Herzen dankbar dafür war. Soweit ich weiß, wurden keinerlei Nachforschungen über seine Herkunft und sein Vorleben angestellt. Zunächst versuchte ich die Zeitungen in Dallas und
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