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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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vor ihn und setzte sich.
    Jan hoffte, sie würde seinen Knebel wieder entfernen, doch sie schien seine Gedanken erraten zu haben und fuhr mit einem Finger über das Klebeband.
    »Ich würde ja gerne mit dir zusammen ein Glas trinken, so wie in der anderen Welt, aber hier wäre es wohl falsch.« Sanft strich sie ihm mit der Hand übers Gesicht. »O Jan,
wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Darauf, dass wir endlich unseren Plan verwirklichen können. Du wirst sehen, in der anderen Welt ist es viel schöner. Dort ist man immer gleich, man altert nicht, und die Menschen sind so, wie man sie haben möchte. Dort gibt es keine Enttäuschungen. «
    Jan spürte Panik in sich aufsteigen. Er ahnte, was sie vorhatte, aber er wollte es nicht glauben.
    Nicht daran denken, sonst verlierst du dich in Panik! Denk lieber darüber nach, wie du hier wieder rauskommst. Und zwar schnell!
    Sie trank einen Schluck und hielt das Glas ins Kerzenlicht. Der Rotwein sah aus wie Blut. Jan verfluchte sich dafür, den Wein mit dem Narkotikum nicht aufbewahrt zu haben.
    »O sink hernieder, Nacht der Liebe«, flüsterte sie. »Gib Vergessen, dass ich lebe. Nimm mich auf in deinem Schoß, löse von der Welt mich los.«
    Sie stellte das Glas ab, stand mit einer entschlossenen Bewegung auf und ging erneut in die Küche.
    Jan zerrte an den Fesseln, doch das Klebeband hielt ihn unnachgiebig an Armlehnen und Stuhlbeinen fest. Wie oft mochte sie jede Stelle umwickelt haben? Zehnmal, zwanzigmal? Keuchend streckte er sich und versuchte zu erkennen, was sie tat.
    »Magst du Tristan und Isolde , Liebling?«, tönte ihre Stimme zu ihm. »Ich kann mich an der Musik nicht satthören. Am meisten liebe ich den zweiten Aufzug. ›Ewig währ’ uns die Nacht …‹ Es liegt so viel Wahrheit darin, nicht? Als seien diese Worte nur für uns beide geschrieben worden.«
    Jan schrak zusammen, als er die Besteckschublade hörte. Wieder riss er an seinen Fesseln, doch es hatte keinen
Sinn. Der Stuhl kippte hin und her, und das Klebeband schnitt sich tiefer in seine Hand- und Fußgelenke. Er kam nicht los. In diesem Moment kam sie zurück. Sein Atem ging schnell und heftig, als er das Messer sah, das sie in der Hand hielt. Er spürte, wie sein Puls jagte, und starrte auf das Kochmesser, das ihm die Verkäuferin seinerzeit als höllisch scharf und universell einsetzbar empfohlen hatte.
    Lächelnd ließ sich Jana vor ihm auf den Knien nieder und sah zu ihm auf. »So stürben wir, um ungetrennt, ewig einig, ohne End’, ohn’ Erwachen, ohn’ Erbangen, namenlos in Lieb’ umfangen.«
    Nicht alle Verrückten liefen durch die Fußgängerzone und rezitierten Bibeltexte, hatte Jan zu Stark gesagt. Hier ist der Beweis , dachte er in einem Anflug irrsinniger Verzweiflung. Einige zitieren auch Richard Wagner.
    Er stieß einen panischen Schrei aus, der durch seinen Klebebandknebel wie ein missglücktes Pfeifen klang.
    »Freust du dich?« Sie lächelte zu ihm auf. »Dann lass es uns jetzt tun.«
    Jan starrte auf sie herab, versuchte sie anzuflehen, es nicht zu tun. Doch alles, was der Knebel davon zuließ, war eine Reihe unartikulierter Laute. Er spürte das kalte Metall an seiner Wade, sah, wie es mühelos den Stoff seiner Jeans aufschlitzte.
    Er wand sich, als das Messer höher glitt. Sie hatte bereits seinen Oberschenkel erreicht.
    »Pscht!«, zischte sie ihm zu und zwinkerte. Die Schneide glitt an seinen Genitalien vorbei. »Sonst schneide ich ihn dir ab.«
    Als sie die flache Seite der Klinge gegen seinen Schritt presste, begann Jan zu weinen. Er konnte nicht anders. Er war diesem Wesen, das da vor ihm kniete, schutzlos ausgeliefert, und eine namenlose Angst überwältigte ihn.

    »Da, wo ich dich hinschicken werde, brauchst du ihn eigentlich nicht«, sinnierte sie und sah ihm zwischen die Beine. »Überhaupt sind diese Dinger doch so nutzlos. Sie verwirren euch Männer nur. Ihr fragt euch ständig, ob er groß genug ist, wann ihr ihn das nächste Mal benutzen könnt und was eure Partnerinnen mit ihm anstellen werden. Als ob das Liebe sei.«
    Jan schüttelte wie wild den Kopf, während sein Atem hektisch und stoßweise aus seinen Nasenlöchern pfiff.
    Tu es nicht! Tu es nicht! Tu es nicht!
    Er spürte ihre Finger, die den Bund seines Slips nach unten zogen.
    »Felix habe ich schnell beigebracht, dass ich dieses Ding widerlich finde.« Sie winkte ihm mit dem Kochmesser zu. Höllisch scharf und universell einsetzbar . »Dazu habe ich so ein Messer gar nicht gebraucht.

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