Dunkler Wahn
eine Frauenstimme sagen. »Aber manchmal muss man die Menschen zu ihrem Glück zwingen.«
76
Verwirrung.
Geräusche.
Irgendwo lief Wasser.
Ein elektronische Melodie.
Ein Piepton.
Dann eine Stimme, blechern und wie aus weiter Ferne. Als müsse sie eine metallische Wand durchdringen.
»Hallo, Dr. Forstner.«
Ein träger Gedanke. Ich kenne diese Stimme.
»Hier spricht Hauptkommissar Stark.«
Er hört sich so dumpf und hallend an. Als ob ich in einer Tonne begraben bin.
Diese Vorstellung erschreckte ihn und riss ihn aus der Benommenheit. Jan schlug die Augen auf. Anfangs sah er nur verschwommene Umrisse, als befände er sich unter Wasser. Dann nahmen die Bilder deutlichere Konturen an.
Ein Tisch.
Ein Kerzenständer.
Er erkannte den Kerzenständer. Ja, er hatte ihn letztes Jahr auf einem Flohmarkt gekauft. Zusammen mit Carla. Sie hatte ihn hübsch gefunden. Hübsch , das war ihre Umschreibung für altmodisch oder kitschig . So kitschig, dass er schon wieder gut ist , hatte sie gesagt. Deshalb hatte er ihn gekauft. Er hatte ihn auf fünf Euro heruntergehandelt. Nun brannten fünf Kerzen darin.
Was ist passiert?
Das Wasserrauschen verstummte.
»Hören Sie, Doktor«, sagte Stark, und Jan begann zu begreifen, dass der Polizist mit seinem Anrufbeantworter sprach. »Wahrscheinlich schlafen Sie noch, aber sobald Sie das abhören, rufen Sie mich bitte sofort zurück, ja? Es gibt Neuigkeiten zu Felix Thanner. Keine guten Neuigkeiten. Ich bin von der Gerichtsmedizin angerufen worden. Man hat die verbrannte Leiche aus dem Pfarrhaus identifiziert. Der Tote ist Heinz Kröger. Wie es aussieht, muss Thanner die Leiche meines Kollegen vor dessen Beerdigung vom Friedhof gestohlen haben. Wir überprüfen jetzt, wer oder was sich stattdessen in dem Sarg befindet. «
Was, zum Teufel, redet dieser Idiot da?
»Seien Sie also wachsam, Doktor. Felix Thanner ist noch am Leben. Halten Sie Ihr Haus gut verschlossen. Ich denke zwar nicht, dass Thanner sich zu Ihnen wagt, wahrscheinlich wird er sich irgendwo vor uns verstecken, aber seien Sie dennoch auf der Hut. Es gibt jedoch keinen Grund zur Sorge, wir haben bereits eine Großfahndung eingeleitet. Es wird nicht lange dauern, bis wir ihn fassen, da bin ich mir sicher. Falls ich nichts von Ihnen höre …«
Die maximale Aufnahmezeit des Anrufbeantworters war erreicht. Ein Klicken, dann ein Piepton, und die Nachricht war gespeichert.
Jan schluckte. Sein Mund fühlte sich taub und trocken an, wie nach einer durchzechten Nacht. Er realisierte, dass er auf einem Stuhl in seinem Esszimmer saß. Vor dem Fenster war dunkle Nacht. Er hatte keine Ahnung, wie lange er weggetreten war.
Seine Augen tränten von der Nachwirkung der Betäubung, doch als er sie reiben wollte, ging es nicht. Er konnte seine Hände nicht bewegen. Auch seine Beine nicht.
Hinter ihm aus dem Bad hörte er das Klappern des Handtuchhalters. Er roch sein Duschgel und musste daran denken, was auf der Verpackung stand: erfrischend und belebend. Für ein Gefühl wie neugeboren.
Neugeboren? , dachte er, während ihm klarwurde, wer gerade sein Bad benutzte. Nein, eher wie von den Toten auferstanden .
Abermals versuchte er, sich zu bewegen. Dann verstand er, dass er mit Klebeband an den Stuhl gefesselt war. Reißfestes Paketklebeband wie das, das er in der Küchenschublade aufbewahrte. Vielleicht war es sogar sein eigenes Klebeband?
Die Informationen drangen nur nach und nach in sein Bewusstsein vor. Was immer ihm Thanner injiziert hatte, es würde noch eine Weile dauern, ehe die Wirkung völlig abgeklungen war.
»Hallo, mein Schatz«, sagte eine fröhliche Frauenstimme hinter ihm. »Du bist ja schon wieder wach.«
Er hörte das Patschen nackter Füße auf dem Fliesenboden, dann wurde ihm ein Kuss auf die Wange gedrückt, und Felix Thanner stand vor ihm.
Nein, korrigierte Jan seine Beobachtung, es war nicht
Thanner. Vor ihm stand Tatjana. Es mochte Felix Thanners Körper sein, aber beherrscht wurde er nun von Tatjana. Oder sollte er sie besser Jana nennen?
Sie trug ein Badetuch wie einen Turban um den Kopf gewickelt, aus dem einige Haare ihrer blonden Perücke heraushingen. Sie hatte außerdem eins von Jans weißen Hemden angezogen. Die oberen drei Knöpfe standen offen, und Jan starrte auf das Dekolleté, das die täuschend echte Latexhaut freigab.
Bob der Baumeister hätte besser in statt auf der Verpackung nachsehen sollen, die er uns gezeigt hat. Sie muss leer gewesen sein.
Nichtsdestoweniger hatte der
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