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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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eins auf einer kindlichen Strichzeichnung und ein reales Kleid mit einem tiefen Ausschnitt – und von enthaupteten Kühen auf einer grünen Wiese. Und da war noch diese Stimme vom Telefon, die er nicht hatte zuordnen können.
    Während die Schwester ging, zog er das Briefkuvert aus seiner Jackentasche und legte es neben einen ihrer Notizzettel, auf dem sie ihn auf Julias Vertretung durch Andrea Kunert hinwies.
    JAN FORSTNER
    Auf dem Kuvert stand sein Name in großen Druckbuchstaben, die Notiz war hingegen in Schreibschrift geschrieben. Doch berücksichtigte man, dass die Schrift auf dem Kuvert verstellt war, gab es auch Gemeinsamkeiten. Beide Schriften waren dezent nach links geneigt und wirkten mädchenhaft. In beiden Fällen war ein schlichter blauer Kugelschreiber verwendet worden, und beide Male hatte die Schreiberin gleichmäßig aufgedrückt.

    Es konnte also durchaus möglich sein, dass …
    »Bettina?«
    »Ja?«
    »Haben Sie noch einen Moment Zeit für mich?«
    Die Schwester hatte gerade die Tür hinter sich schließen wollen, nun kam sie zu Jan zurück.
    »Natürlich. Worum geht es denn?«
    Jan zeigte ihr das Kuvert. »Haben Sie das hier schon einmal gesehen?«
    Sie sah ihn fragend an. »Habe ich irgendetwas falsch gemacht?«
    Kam es ihm nur so vor, oder vermied sie tatsächlich, das Kuvert anzusehen?
    »Vielleicht sollte ich direkter fragen«, entgegnete Jan und deutete mit dem Kinn auf den Umschlag in seiner Hand. »Haben Sie mir das geschickt?«
    »Ich?«
    Sie wirkte ehrlich konsterniert, und falls sie diese Reaktion nur spielte, wirkte es sehr überzeugend, fand Jan.
    Er nickte. »Ja, Sie.«
    »Was ist das überhaupt?«
    »Ein Brief an mich. Einer von zweien.«
    Nun wurde sie puterrot, was Jan bisher noch nie bei ihr erlebt hatte. Sie blies sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, die aus ihrem Pferdeschwanz gerutscht war, und wirkte dabei so trotzig wie ein Kind, das man beim Ladendiebstahl erwischt hatte und das beschlossen hatte, seine Tat so lange wie möglich abzustreiten.
    »Wie kommen Sie denn darauf, dass ich Ihnen Briefe schreibe?«
    »Haben Sie es getan?«
    »Nein.« Die Antwort kam schnell, und Bettina schüttelte den Kopf dabei so energisch, dass ihr die Strähne
wieder ins Gesicht fiel. Doch diesmal beachtete sie sie nicht. »Auf was läuft das hier hinaus, Dr. Forstner?«
    Er sah ihr direkt in die Augen und merkte, wie schwer es ihr fiel, seinem Blick standzuhalten. »Ich habe zwei Briefe von einer Frau erhalten, höchstwahrscheinlich von einer jungen Frau. Sie hat offensichtlich Probleme und bittet mich darin um Hilfe. Jedoch scheint ihr der Mut zu fehlen, mich persönlich anzusprechen.«
    »Und Sie denken, dass ich das bin? Sehe ich für Sie denn so aus, als hätte ich Probleme?«
    Jan musterte sie eingehend. »Gibt es etwas, über das Sie mit mir sprechen möchten?«
    Noch immer war sie tiefrot, und ihre Lippen bebten, aber für Jan ließ sich nicht einschätzen, ob diese Mimik Verunsicherung oder Entrüstung ausdrückte.
    »War das alles?«, fragte sie mit gepresster Stimme. »Ich muss wieder zur Arbeit.«
    »Sagen Sie mir nur noch, von wem die Rosen gewesen sind.«
    »Also ich …« Sie rang um Fassung. »Das weiß ich doch nicht. Irgend so ein Typ von Fleurop hat sie vorbeigebracht. Was haben Sie denn auf einmal?«
    Jan entgegnete nichts. Ihre Entrüstung schien nicht gespielt. Vielleicht machte er gerade einen großen Fehler.
    »War’s das jetzt, Dr. Forstner? Kann ich endlich gehen ?«
    Jan nickte nur, woraufhin sie sich umdrehte und ging. An der Tür angekommen, sah sie sich noch einmal zu ihm um.
    »Schade, dass Sie mich so einschätzen«, sagte sie. Dann verschwand sie auf dem Gang und ließ Jan mit einem unguten Gefühl zurück.

27
    Felix Thanner fröstelte. Auf der Empore war es kalt und zugig, aber noch mehr war es die Aufregung, die seine Hände zittern ließ, während er den Camcorder an seinen Laptop anschloss.
    Er machte alles so, wie Matt es ihm gezeigt hatte. Zwar war der Monitor deutlich kleiner als der Fernseher im Pfarrhaus, aber man konnte dennoch genug darauf erkennen, und Thanner hatte nicht abwarten wollen, bis Edith Badtke ihren Arbeitstag beendete. Also gab er der Anonymität der menschenleeren Kirche den Vorzug, auch wenn sie kalt wie ein Grab war.
    Als er die Wiedergabe startete und das Bild des leeren Hauptschiffs auf dem Bildschirm erschien, fühlte er, wie sich sein Puls noch mehr beschleunigte. Er würde etwas sehen. Mindestens eine Person war hier

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