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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Schatten, die am Gartenzaun entlanghuschten. Jan sah einen Mann, dessen Namen er zwar nicht kannte, von dem er aber wusste, dass er zweimal täglich mit einer Dogge an seinem Haus vorbeikam. Über den Zaun hinweg war nur der Kopf des riesigen Hundes zu erkennen. Er war stehen geblieben und rührte sich nicht.
    Jan fragte sich, ob das Tier spüren konnte, dass es beobachtet wurde. Wenn dem so war, würde auch Jana spüren können, dass er nach ihr Ausschau hielt? Hielt sie deswegen vielleicht sicheren Abstand zu seinem Haus? Wusste sie von Jans Zorn wegen dem, was sie Julia angetan hatte?
    Der Mann zerrte ungeduldig an der Leine, während er Mühe hatte, dass ihm der Wind nicht seinen Regenschirm
aus der Hand riss. Schließlich bewegte sich der Hund wieder. Er sah nicht zu Jan.
    Er hat nichts gewittert.
    Wenig später war die Straße wieder menschenleer. Nervös kaute Jan auf der Innenseite seiner Wange, wo sich inzwischen eine wunde Stelle gebildet hatte. Das Warten war zermürbend, aber er war sich sicher, dass Jana sich wieder melden würde.
    Sie musste sich einfach wieder melden.
    Stunden vergingen, begleitet vom Ticken der Wanduhr; doch Jan saß unbeirrbar da und hielt Ausschau.
    Dann, als bereits die Dämmerung einsetzte, sah Jan eine schlanke Gestalt mit einer Kapuzenjacke, die die Seitenstraße entlanggelaufen kam. Es war eine Frau.
    Sie hielt auf Jans Haus zu, bog in seine Straße ein und blieb abrupt vor dem Zaun stehen. Für einen kurzen Moment sah sie direkt zu Jan. Eine junge schlanke Frau mit wachsamen Augen. Einige verirrte Strähnen ihres blonden Haars waren unter der Kapuze herausgerutscht und klebten wie dünne Schlangen auf dem nassen Gesicht. Ein schönes, ebenmäßiges Gesicht.
    Ihre Blicke schienen sich zu treffen, doch Jan wusste, dass das nicht sein konnte. Er saß ihm Dunkeln. Sie konnte ihn nicht sehen.
    Dann bückte sie sich und verschwand hinter dem Zaun.
    Jan schnellte aus dem Sessel hoch. Sein Puls raste. Er lief zur Haustür, riss sie auf und sah den Rücken der Frau auf der anderen Seite des Zauns.
    Was, um alles in der Welt, tat sie da?
    Jan atmete tief durch und ging auf sie zu. Als er die Gartentür öffnete, sah sie zu ihm auf.
    »Jana?«

    Sie erhob sich und musterte ihn.
    »Ist das Ihr Haus?«
    Er nickte.
    »Dann ist das auch Ihr Gehweg«, stellte sie sachlich fest und deutete mit einem aufgeweichten Papiertaschentuch auf ihren Laufschuh. »Und Ihre Hundescheiße!«
    Jan wusste nicht, ob er laut loslachen oder schreien sollte. Er war kurz davor durchzudrehen.
    Eine Joggerin, die in die Hinterlassenschaften dieser dämlichen Dogge getreten ist. Verdammt! Ich werde paranoid. Nein, ich bin es schon!
    »Wissen Sie, wie schwer das eklige Zeug wieder abzubekommen ist?« Die Joggerin warf ihm das Taschentuch vor die Füße und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Halten Sie gefälligst Ihren Gehweg sauber. Jeder andere tut das auch.«
    Jan stammelte eine kurze Entschuldigung und sah der Joggerin nach, die ihn einfach stehen ließ. Dann fuhr er herum, als er aus dem Inneren des Hauses das Telefon läuten hörte.
    Sein Anrufbeantworter war so eingestellt, dass er sich nach dem fünften Klingelton zuschaltete. Jan schaffte es gerade noch rechtzeitig ins Haus.
    »Hallo?«, keuchte er und vernahm gleich darauf das vertraute Rascheln.
    »Hallo, Jan.«
    Sie ist es! Ja, sie ist es!
    »Hallo, Jana.«
    Er ließ sich in den Sessel sinken und schloss die Augen, um sich auf jedes noch so schwache Geräusch im Hörer zu konzentrieren. Doch vorerst hörte er vor allem das Pochen seines eigenen Herzschlags in den Ohren.
    Ruhig, ganz ruhig , redete er sich in Gedanken zu. Mach
jetzt keinen Fehler! Du musst sie dazu bringen, sich dir zu zeigen. Nur darum geht es!
    »Es tut so gut, dich zu hören.« Ihre Stimme klang leise und rauer als sonst, vor allem aber konnte Jan die Niedergeschlagenheit hören, die in jedem ihrer Worte mitschwang. »Heute ist kein guter Tag für mich.«
    Und deshalb erhöhst du die Dosis und rufst mich schon zum zweiten Mal an , dachte er. Das war sehr gut. Jetzt hatte er sie da, wo er sie haben wollte. Er war der Mann mit dem Stoff – nein, besser noch, er selbst war der Stoff, ohne den sie nicht mehr sein konnte.
    »Warum war es kein guter Tag?«, fragte er. »Was ist geschehen?«
    Die Augen noch immer geschlossen, lauschte er in die Stille am anderen Ende der Leitung. Doch da war nur ihr Atmen.
    »Nichts«, sagte sie, und ihre Stimme klang verwirrt und abwesend. »Eigentlich

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