Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
Vom Netzwerk:
für dich ist«, fuhr ihn der Therapeut an. »Ich habe noch eine Chance, meine Familie zu retten, und die werde ich nutzen. Keine Sonderwege mehr.«
    »Aber es geht doch nicht nur um Julia allein.«
    »Das weiß ich selbst, aber ich muss jetzt zuerst an mich denken.«
    »Na gut, wie du meinst. Aber in meinen Augen ist das Feigheit.«
    »Nenn es, wie du willst«, sagte Franco und klopfte Jan zum Abschied auf die Schulter. »Ich nenne es Vernunft.
Wer mit dem Teufel essen will, braucht einen langen Löffel. Und ich bezweifle, dass dein Löffel lang genug für diese Verrückte ist.«
    »Ich habe keine andere Wahl, Franco.«
    »O doch, die hat man immer. Mach nicht den Fehler, das Ganze zu deinem persönlichen Rachefeldzug zu erklären. Julia wirst du damit nicht mehr gesund machen.«
    Damit wandte er sich um und ging davon.
    »Franco, warte!« Jan lief ihm durch den Regen nach. »Nur noch eine Frage, dann lasse ich dich in Ruhe.«
    Franco blieb stehen und atmete tief durch. »Dann frag schon.«
    »Was fällt dir zu Jana ein?«, fragte Jan. »Ich meine, zu dem Namen. Er ist sicherlich ebenfalls nur ein Symbol.«
    »Du gibst nicht auf, was?«
    »Nein, das habe ich doch gesagt. Also sag schon, was könnte ›Jana‹ aus deiner Sicht bedeuten? Ich meine, abgesehen von der Ähnlichkeit mit meinem Namen.«
    Franco schürzte die Lippen, dann starrte er nachdenklich auf den Boden. »Jana, Jana, Jana«, murmelte er. »Wie wäre es mit Janus? Vielleicht meint sie die weibliche Abwandlung von Janus, dem zweigesichtigen Gott. Du hast doch gesagt, sie sei gebildet?«
    »Ja«, nickte Jan. »Davon gehe ich aus. Janus wäre vielleicht möglich. Das würde auch zu ihrer Schizophrenie passen.«
    »Jan, bitte.« Franco sah ihn eindringlich an. »Hör auf mich, und lass die Finger davon. Es gibt Dinge, die einfach zu groß für uns sind. Nur merken wir das manchmal erst, wenn es schon zu spät ist. Denk wenigstens noch einmal darüber nach, versprochen?«
    »Werde ich«, log Jan.
    Franco gab ihm noch einen freundschaftlichen Klaps
auf die Schulter. »Sei mir nicht böse, Jan, okay? Ich bin eben ein egoistischer Feigling, und dazu stehe ich. Außerdem hat mir Flavia noch eine Chance gegeben, und das bedeutet mir mehr als alles andere. Auch wenn es lange gedauert hat, bis ich das begriffen habe. Liebe ist etwas Seltsames, Jan. Man beginnt erst dann für sie zu kämpfen, wenn man sie zu verlieren droht.«
    Dann ging er, ohne sich noch einmal umzusehen.

38
    Jana stand in sicherer Entfernung und beobachtete die Trauergemeinde, die sich um Volker Nowaks Grab versammelt hatte. Eine Reihe in Schwarz gekleideter Gestalten, überdacht von einem Gedränge dunkler Schirme, auf denen unaufhörlich der Regen trommelte.
    In ihrer Mitte sah sie Nowaks Mutter, die unbeweglich in ihrem Rollstuhl saß. Der größte Teil ihres wachsbleichen Gesichts war hinter einer großen Sonnenbrille verborgen. Trotz des Regenschirms, den einer der Trauergäste über sie hielt, glänzten Wasserperlen auf ihrem schwarzen Gewand, und hin und wieder bewegte sich der Gladiolenstrauß auf ihrem Schoß, wenn sie schluchzte.
    Die alte Frau tat ihr leid. Am liebsten wäre sie zu ihr gegangen und hätte sie um Vergebung gebeten. Aber das wäre in mehrerlei Hinsicht nicht richtig gewesen. Immerhin war es doch nicht ihre Schuld, dass er gestorben war. Volker selbst war schuld daran. Wäre er nicht so stur gewesen, hätte sie ihm kein Haar gekrümmt. Nein, ganz bestimmt nicht.

    Was sind das nur für Gedanken? , fragte etwas in ihr mit tiefer, zorniger Stimme. Soll ich dir sagen, was das für Gedanken sind? Es sind Heulsusengedanken ! So etwas passt nicht zu meiner Tochter! Was hast du hier überhaupt verloren? Noch dazu am helllichten Tag!
    »Nichts«, flüsterte sie. »Ich wollte doch nur …«
    Es schert mich einen Dreck, was du wolltest! Was machst du, wenn dich irgendjemand sieht, hm? Nur weil du glaubst, dass du ein gutes Versteck hast, ist das noch lange kein Grund, ein Risiko einzugehen. Du riskierst ohnehin schon viel zu viel in letzter Zeit!
    Sie nickte. Ja, die Stimme hatte natürlich Recht. Sie durfte kein weiteres Risiko mehr eingehen. Jetzt zählte nur noch ihr Plan.
    Nur noch ihr Plan.

39
    Gleich nach Volker Nowaks Beerdigung war Felix Thanner auf die Empore geeilt. Den ganzen Vormittag waren seine Gedanken nur um die Kamera gekreist, und es war ihm schwergefallen, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Dabei war er sich vorgekommen, als würde er sich nach wie vor

Weitere Kostenlose Bücher