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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Sodbrennen. Ein sicheres Zeichen seiner Nervosität.
    Sie mache sich Sorgen um ihn, hatte sie gesagt und ihn mit zäher Unnachgiebigkeit zum Essen aufgefordert. Er sei so mager und blass in letzter Zeit, hatte sie hinzugefügt, und überhaupt wirke er, als bedrücke ihn etwas. Ob sie ihm helfen könne?
    Thanner hatte sie belogen und ihr versichert, dass alles in bester Ordnung sei. Nur eine Magenverstimmung, mehr nicht, hatte er diese Lüge zu entschärfen versucht. Dann hatte er die Unterhaltung auf die Themen des heutigen Tages gelenkt – das endlich reparierte Schloss der Seitentür, die morgige Beerdigung von Heinz Kröger und die nächste Kollekte –, doch seiner aufmerksamen Sekretärin
hatte er nichts vormachen können. Auch wenn sie das Thema damit hatte ruhen lassen, war ihr dennoch anzusehen gewesen, dass sie ihm nicht glaubte.
    Während ihres Gesprächs hatte sie ihn immer wieder auf eine Weise gemustert, die ihm unangenehm gewesen war. Fast war es ihm vorgekommen, als könne sie seine Gedanken erkennen, die sich unaufhörlich um die unbekannte Frau drehten. Umso erleichterter war er gewesen, als er sich schließlich zur Beichtstunde verabschieden konnte.
    Sein erster Weg hatte ihn wieder auf die Empore geführt. Doch er hatte sich bereits darauf eingestellt, dass ihm der Monitor nichts weiter als die menschenleere Kirche zeigen würde. Und so war es auch gewesen.
    Vielleicht hatte er die Frau ja verschreckt, als sie ihn gemeinsam mit Edith Badtke angetroffen hatte, überlegte er. Vielleicht glaubte sie, er würde trotz seiner Beteuerung gegen das Beichtgeheimnis verstoßen und seine Sekretärin ins Vertrauen ziehen. Möglich, dass sie deshalb nicht wiederkam. Wer konnte schon sagen, was im Gehirn einer Geisteskranken vor sich ging?
    Aber vielleicht lag diese Befürchtung ja auch nur an seiner Ungeduld. Er konnte doch nicht erwarten, dass sie ihm sofort ins Bild laufen würde, nur weil er die Kamera aufgestellt hatte.
    Als er den Beichtstuhl öffnete und in das Halbdunkel der Kabine trat, wichen all seine Gedanken und Befürchtungen einem allmächtigen Gefühl der Beklemmung. Es wurde beinahe unerträglich, als er sich auf die harte Bank setzte und die Tür schloss. Da war er wieder, dieser Geruch der Sünde, der ihm fast den Atmen nahm.
    Nein , dachte er, diese Frau wird wiederkommen. Sie wird es vielleicht nicht wollen, aber sie muss es . Denn wenn er schon unter dem Wissen über ihre Tat litt und an nichts anderes
mehr denken konnte, wie musste es dann erst ihr, der Täterin, ergehen?
    Sie würde zurückkommen, wenn die Last ihrer Sünde sie zu erdrücken drohte – so wie beim letzten Mal. Ja, sie würde kommen. Die Frage war nur, wann.
    Es kam niemand. Thanner wartete in der Dunkelheit, und je länger er für sich war, desto nervöser wurde er und desto stärker wurde das Brennen in Magen und Kehle.
    Ihn fror, doch gleichzeitig schwitzte er. Er musste an Frau Badtkes Worte denken und wusste, dass sie Recht gehabt hatte. Er war krank, und nach allem, was er in den letzten Tagen durchgemacht hatte, war das auch nicht verwunderlich. Er war noch nie von besonders kräftiger Konstitution gewesen. Als Kind, wenn in der Schule die Grippe umging, war er stets der Erste gewesen, den es erwischte, und auch später …
    Das Klacken von Absätzen riss ihn aus seinen Erinnerungen. Schnelle Schritte durchquerten die Kirche und hallten von den Wänden des alten Gemäuers wider.
    Thanner erstarrte in der Kabine. Seine Hände verkrampften sich um das Gebetsbuch auf seinem Schoß.
    Sie ist es! Diese Schritte … Sie muss es sein.
    Mit geweiteten Augen starrte er auf das Gitterfenster der Trennwand, als die Schritte vor dem Beichtstuhl innehielten. Eine Gestalt schob sich in die Nachbarkabine und schloss die Tür mit lautem Krachen.
    »Hallo, Herr Pfarrer.«
    Ihre Stimme klang völlig anders als bei ihrer letzten Begegnung. Da war keine Spur mehr von scheuer Demut. Nein, diesmal klang sie … zornig !
    Er setzte zur Grußformel an, doch noch bevor er das erste Wort ausgesprochen hatte, hielt sie ihm etwas gegen die Tennwand entgegen.

    »Was hat das zu bedeuten?«
    Fassungslos starrte Felix Thanner auf das Objekt in ihrer Hand.
    Die Kamera! O mein Gott, sie hat die Kamera entdeckt! Aber das kann doch gar nicht sein!
    Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Seine Hände begannen zu zittern.
    »Aber wie …«, begann er, doch sie schnitt ihm das Wort ab.
    »Die hast du meinetwegen aufgestellt! Hast du gedacht,

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