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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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Vergeltung, und er soll sie gewiss haben.« Seine Stimme erhob sich zu einem Gebrüll, das die nasse Dunkelheit außerhalb des Feuerscheins herausforderte: »Höre mich, schmutzige Ab scheulichkeit! Die Götter gewähren mir, dass dein Herz blut meine Hand nässt!«
    Der Regen und das Seufzen des Windes antworteten ihm. Er starrte in die Runde, zu den grimmig blickenden Söldnern und dem abgehärmten Grafen, dann wandte er sich ab und trug den Leichnam seines Knappen wankend zum Fuhrwerk.
    Die Schwester richtete sich auf, sah ihm nach. »Er hat Recht. Wir können den Toten nicht hier zurücklassen. Wer immer uns verfolgt, wird ihn aus seinem Grab holen. Es gibt kein Holz für einen Scheiterhaufen, und ich kann mir nicht leisten, mehr von der flüssigen Flamme zu veraus gaben. Er wird mit uns kommen müssen, bis wir genug Holz finden können.«
    Niemand widersprach. Die Flammen der brennenden Ginsterzweige fielen zusammen und verglühten. Hrudis Winterridge hatte sich gefasst und nickte mir zu. »Es gibt noch etwas zu tun. Helfen Sie mir, Will.«
    Wir kratzten Asche und geschwärzte Knochen zusam men, wo die Untoten verbrannt waren, und vergruben alles in der nassen Erde. Ich sah ihre Lippen in stummer Bewegung Gebete oder Beschwörungsformeln sprechen. Sie schabte die Erde von ihren Händen, stand auf und nahm den Helm ab.
    Nach kurzem Zögern folgte ich ihrem Beispiel. »Dieses Ding ist nicht auf euch. Nun geht in Frieden«, sagte sie zu den Toten. Und betete auch für sie.

KAPITEL 7
    »Zuerst war es ein Traum. Er weckte mich.« Silvus lenkte sein Pferd um eine sumpfige Stelle.
    Ich sagte nichts.
    »Ein Traum von etwas Unaussprechli chem. Nahe. Etwas bewegte sich in der Dun kelheit, und ich erwachte, kämpfte mich durch einen Nebel aufwärts, und das Dunkel war da.«
    Ich riskierte einen Blick in sein Gesicht.
    Es war ohne Ausdruck, wie das Gesicht eines Mannes, der sich auf etwas anderes konzentriert, um seine Gedanken von dem abzulenken, was er sagt.
    »Wie ist es?«, fragte ich. »Zu wissen, dass das Dunkel da ist? Woran erkennst du es?«
    »Es ist wie… ein Gestank. Wie das Öffnen einer Kloake. Wie ein verwester Leichnam. Es ist über alle Maßen abscheulich…« Er machte eine hilflose Gebärde. »Und Nekromantie, das Auf erwecken der Toten, ist…«
    »Schlecht.«
    »Die schlimmste schwarze Magie von allem. Dann wachte ich auf und dachte, es sei bloß ein Albtraum gewesen.«
    Ich nickte. »Bis dieser Kadaver aus dem Nebel kam«, sagte ich.
    »Dem Nebel um die Quelle.«
    »Ja.«
    Wir ritten weiter, jeder in seinen eigenen Gedanken.
    Drei Tage später fanden wir ein Gehölz in einer Senke. Wir errichteten einen Scheiterhaufen und verbrannten den Toten. Er war inzwischen schlaff und wie fettig und begann unangenehm zu riechen, aber Eumas legte ihn auf den Scheiterhaufen wie ein Kind, das zu Bett gebracht wird. Wir standen darum, als die Flammen ihn verzehr ten, bis nur noch Asche und ein paar bröckelnde Knochen übrig waren.
    Niemand sprach. Wir hatten mit einer beinahe inbrüns tigen Aufmerksamkeit zusammengearbeitet, und die noch entfernten Ausläufer des Bruchfaltengebirges sahen uns über die Schultern. Als die Asche abkühlte, reinigte Schwester Winterridge ihre Axt und legte sie in die Truhe. »Wir werden uns nach Süden wenden müssen. Der an dere Weg führt vorbei an den Feldern von Hoppelinmoor und, schlimmer noch, Gynost«, sagte sie ohne Vorrede. Es war nicht nötig zu erklären, warum.
    »Hatte man nicht alle Toten dieser Schlachten ver brannt?«, fragte Ruane. Er kniete am Bach nieder und wusch sich Kopf und Hände mit einem Eifer, als könnte er nicht sauber genug werden.
    Die Schwertjungfrau blickte zu Silvus und er blickte zu mir.
    »Alle, die wir finden konnten, jedenfalls in Hoppelin moor«, sagte er, und vor meinem inneren Auge sah ich wieder die großen qualmenden Scheiterhaufen, die wir errichtet hatten. Am Tag darauf hatte es stark geregnet; wir hatten die Asche und die Reste verkohlter Gebeine mit dem Rechen herausgeharkt und begraben. Ich war damals vierzehn Jahre alt gewesen und schon lange nicht mehr empfindlich.
    »Aber diese hier könnten welche gewesen sein, die Sie nicht fanden«, sagte die Schwertjungfrau.
    »Es war vor sechs Jahren. Kein im Freien liegender Toter würde nach sechs Jahren mehr als ein paar umher gestreute Gebeine sein. Und erst recht gilt dies für Gynost, wo vor zweihundert Jahren gekämpft wurde.«
    Die Stimme des Grafen klang müde und erschöpft. Ich wusste,

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