Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
Vom Netzwerk:
machte er die vorbereitende Runde durch das Umfeld des Lagers, stieß mit dem Stiefel in Büsche, schaute in versteckte Mulden und hinter steinige Schichtenköpfe am sanften Hang der Anhöhe. Ich ging mit ihm, um mir die Beine zu vertreten. Das Licht schwand rasch vom Him mel, und die vertrauten Sternbilder erschienen, bewacht von einer Mondsichel.
    Das Aufschlagen des Lagers war längst zur Routine ge worden. Die Söldner hatten ein Feuer in Gang gebracht. Das Abendessen kochte. Silvus machte seine Runde und ich ging nach einem Tag im Sattel mit ihm. Wir waren sehr wachsam und vorsichtig geworden.
    Fünfzig Schritte vom Lagerplatz rieselte ein kleiner Wasserlauf durch die breite Talmulde, ein Rinnsal, das kaum Knöcheltiefe erreichte. Silvus hielt seine Hand hi nein, um die Stärke der Strömung zu messen, schüttelte den Kopf.
    »Nicht genug Mana für böse Geister?«, fragte ich.
    »Nein«, antwortete er knapp. »Und mach nicht ein so enttäuschtes Gesicht.«
    »Das ist nicht Enttäuschung. Es ist Erleichterung. Ich kann das Wasser gebrauchen. Es ist meine dienstfreie Nacht und ich muss mich waschen.«
    »Das musst du ganz sicher. Wie oft habe ich dir gesagt, dass ein guter Soldat…«
    »…ein reinlicher Soldat ist. Viele Male.«
    Er schüttelte den Kopf. »Also geh«, sagte er. Und ich ging.
    Schwester Winterridge hatte mit dem Grafen die erste Wache. Ich konnte mit der gebotenen Schicklichkeit ba den. Obwohl ich die Gleichgültigkeit der guten Schwester gegen solche Dinge kannte, hätte es meinem natürlichen Schamgefühl widersprochen, wenn ich vor den Augen der anderen nackt herumgesprungen wäre. So etwas stör te mich genauso sehr wie der Gestank in meiner Rüstung. Nach dem kalten Bad in einer kleinen Gumpe unter die wärmenden Decken nahe dem Feuer. Silvus bereitete sein Lager auf der anderen Seite, wo er nicht über mich würde steigen müssen, um zur Wache zu gehen. Hubert, der die zweite Wache hatte, hatte sein Lager jenseits von ihm, so dass er ihn wecken konnte.
    Schlaf ist so eine Sache, wenn man im Freien biwakiert. Das war es jedenfalls für mich. Schlafen und Wachen sind verschiedene Länder, aber zwischen ihnen gibt es breite, schattige Grenzbereiche, und dort, in dem umstrittenen Territorium schien ich meine Zeit zu verbringen.
    Und in diesen Ländern nehmen die Dinge andere For men und andere Töne an. Sinkt man in den Schlaf, ver liert man die Übersicht über einige Dinge um einen herum, doch bleibt man sich anderer bewusst. Manche Geräusche verschmelzen, andere bleiben deutlich. Das Schnarchen um mich her wurde zum Hintergrund für das Rascheln des Nachtwindes, und der Wind wiederum verschmolz mit dem leisen Zischen des schwelenden Torf feuers einen Schritt von mir. Neben meinem Lager wiegten sich die Schatten im Feuerschein, wurden zu Mustern, verloren Bedeutung, Konturen und Farbe. Und dann be wegte sich etwas anderes – und etwas anderes drang an mein Ohr.
    Eine Bewegung mit einem Geräusch. Dann nichts. Ich war nicht wach, und doch hörte ich es und sah es, und dann erwachte ich, und da war nichts. Nichts.
    Silvus regte sich im Schlaf und zuckte; er murmelte. Das hatte mich vielleicht geweckt. Er hatte einen schlech ten Traum, dachte ich. Sollte ich ihn wecken?
    Alles nahm wieder unbestimmte Formen an, als der Dämmerzustand zurückkehrte und den Schlaf einleitete, dann aber ans Ufer der Wirklichkeit spülte. Das Feuer, der Wind, das Schnarchen. Ich überlegte schläfrig, ob ich viel leicht aufstehen und den langen Stamm weiter ins Feuer schieben sollte.
    Und dann bewegte sich der Stamm. Und hob den Kopf.
    Einen dreieckigen Kopf, der sich von einer Seite zur anderen bewegte. Dann ein langer, dicker, schimmernder brauner Körper. Schuppen reflektierten den Feuerschein.
    Wir mussten ganz in der Nähe seines Baues unser Lager aufgeschlagen haben. Nach dem Körper zu urteilen, musste es ein großes Loch sein, ein Bau, den man nicht leicht übersehen konnte. Aber es wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen, richtete den Vorderkörper auf und schien den im Schlaf zuckenden und murmelnden Silvus zu beäugen. Seine gespaltene Zunge fuhr heraus und verschwand wieder, als wollte das Tier seine Ausdünstungen kosten.
    Mein Schwert steckte in der Scheide und hing an sei nem Gurt von der Heckklappe des Fuhrwerks, zwei Schritte entfernt. Ich hatte einen Dolch, den ich meis tens zum Essen gebrauchte; er lag bei meinen Kleidern. Und ich war in meine Decken eingerollt. Der Kopf der Schlange hob

Weitere Kostenlose Bücher