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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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auszuschlafen.
    Der Lagerplatz lag wieder an einem Bach. Dieser ent sprang in einem Torfmoor, einer flachen, linsenförmig er höhten Fläche von hundert Schritten Durchmesser, ange füllt vom Pflanzenzerfall einiger zehntausend Jahre, die zu Torf und nassem Rohhumus geworden waren. Am unteren Rand floss das überschüssige Wasser als Quelle ab. Wir lagerten unweit davon in einer geschützten, trockenen Mulde. Das Wasser war torfig braun von Schwebstof fen, aber gut.
    Dunkelheit und Schlaf – wie das Fallen in eine Grube.
    Es war Mitternacht, als ich erwachte, nach der Stellung des Jägers am Himmel. Seltsam, wie schnell man wieder in Gewohnheiten zurückfällt, die einst ein fester Bestand teil des Lebens gewesen sind. Ich hatte mein Leben immer in Wachen eingeteilt, geradeso wie ich immer imstande war, in meine Rüstung zu steigen, bevor ich noch richtig aufgewacht war.
    Als ich ihn suchen ging, war Ser Eumas zehn Schritte von seinem Posten entfernt, was gut war. Ich sah ihn nicht, bis er zischte, obwohl er ganz in der Nähe sein musste. Ich wünschte ihm mit einer matten Geste gute Nacht, fand ein Grasbüschel, das trockener als die meis ten war, und setzte mich unter meinem ausgebreiteten Umhang zwischen die Ginsterbüsche. Ein leises Zusam menschlagen von Kieselsteinen gab mir einen gewissen Anhaltspunkt für Huberts Standort, obwohl ich ihn nicht sehen konnte. Er war jemand, der sich von Natur aus still verhielt. Ich bin es nicht, aber wenn es sein muss, kann ich es auch. So begann meine Wache.
    Man lernt im gleichmäßigen Gurgeln und Glucksen eines Baches Fremdgeräusche herauszufiltern. Tiere ma chen Geräusche nur aus einem Grund, und oft tun sie es in Gruppen. Schatten bewegen sich in bekannter Weise, und der Wind macht seine eigenen Geräusche, die man ihm zuordnet und aus der Aufmerksamkeit entlässt. Man blickt nach außen, denn sogar das trübe Glimmen der Glut des niedergebrannten Feuers beeinträchtigt die Nachtsicht. Man verhält sich ruhig und still.
    Eine Stunde verging. Man nennt es eine Wache, aber es ist hauptsächlich ein Lauschen. Man konzentriert sich auf Abweichungen von den gewöhnlichen Geräuschen der Nacht wie dem Quaken von Fröschen in einem Moortümpel, den Tropfen, die von nassen Ginsterzweigen fal len. Wassergeräusche beachtet man nicht, denn sie bilden den Hintergrund. Ich machte es genauso und musste dafür bezahlen.
    Es war ein unbestimmtes Schmatzen, als hätte sich am Bach ein kleiner Wirbel gebildet, um kurz darauf wieder zu verschwinden. Eine nasse Oberfläche, die über eine andere glitt, dann ein gedämpftes Platschen. Ich hatte es schon eine Weile lang gehört und nicht bewusst wahr genommen, hatte es als eines der Wassergeräusche vom Bach abgetan. Das Schmatzen wiederholte sich. Vielleicht ein Otter, dachte ich. Beim Tauchen – und wenn sie die Oberfläche durchstoßen – entstehen solche Geräusche. Keine Forelle, nicht bei Nacht. Ich lauschte und konnte mir darüber nicht schlüssig werden.
    Dann brach das monotone Quaken der Frösche schlag artig ab und etwas Anderes wurde hörbar. Etwas bewegte sich in der nassen Dunkelheit.
    Stille. Dann wieder. Ein nasses gleitendes Geräusch, ein gedämpftes Platschen und Schmatzen. Jemand dort draußen ging sehr langsam und gleichmäßig und trug ein Paar wassergefüllter Stiefel.
    Niemals darf man einen sich nährenden Unbekannten anrufen, solange man ihn nicht sieht. Das möchten sie. Sie möchten, dass man sich verrät, ihnen sagt, wo man ist. Ich hatte einen Jagdspieß mitgebracht, hauptsächlich, weil ich mein Schwert nicht befeuchten wollte; es steckte sicher in der geölten Scheide unter dem Umhang. Und die zusätzliche Reichweite ist immer nützlich. Ich hielt den Kopf gesenkt, regte mich nicht und schob den Spieß vorsichtig in die Richtung der Geräusche, dass die Spitze zwischen mir und ihnen war. Wieder ein Schmatzen, Glei ten und Platschen, Geräusche durchnässten Leders. Dann eine Pause.
    Nun sah ich es, und es war ein Augenblick der Erstarrung, der sich in die Unendlichkeit dehnte. Ich konnte nicht schreien. Sollte es tun, konnte es aber nicht. Meine Zunge schien am Gaumen zu kleben, mein Herz stillzustehen. Auf einmal ging etwas in meiner Brust auf, und mein ganzer Körper, der in atemloser Anspannung ver harrte, erschlaffte plötzlich. Mein Magen wurde eiskalt, meine Gedärme bebten, drohten sich zu entleeren. Der grünliche Schein eines Irrlichts umspielte es wie kaltes Feuer. Es wandte sich zur Seite,

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