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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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Silvus und ein Söldner den rechten, und der Rest ging mit dem Fuhrwerk. Aber als wir den Kamm des Hü gels erreichten und zur anderen Seite hinabspähten, gab es nicht viel zu sehen. Es war ein breiteres Tal, durch strömt von einem reißenden, aber seicht aussehenden Fluss, an dessen Ufern vereinzelt kümmerliche Erlen und Mooreichen wuchsen, aber keine Weiden, denn hierzu lande waren die Winter kalt und die Sommer zu kurz. Und dort war der Ursprung des Rauches.
    Es war kein Lagerfeuer. Am jenseitigen Hang, ein klei nes Stück über dem Talboden, kauerte eine bescheidene Behausung aus Grassoden, gerade weit genug über dem Fluss, um den jahreszeitlichen Überschwemmungen zu entgehen. Ich musste zweimal hinsehen, um es zu entdecken, denn die Wände und das Dach verschmolzen geradezu mit dem Hang, aus dessen Erde sie gemacht waren. Das Auffallendste daran war der Schornstein, ob wohl er gedrungen und niedrig war und sich an der Hangseite hinter dem Haus befand. Ein eckiger Umriss vor der bröckelnden Rundung des alten, von Erosion halb abgetragenen Hügels. Und sobald das Auge sich an den Anblick gewöhnt hatte, traten andere Einzelheiten hervor. In einem Pferch standen Ziegen, und einige Hühner scharrten hoffnungsvoll in der Erde; der ebenere untere Teil des Hanges war bestellt oder wenigstens mit der Hacke bearbeitet. Wenn es eine Ernte gegeben hatte, war sie inzwischen eingebracht.
    Vielleicht war es das Knarren und Rumpeln unseres herannahenden Fuhrwerks, das uns verriet. In der Ein samkeit schärft sich das Gehör für alle anderen Geräusche als das Seufzen und Heulen des immerwährenden Win des. Der Hausbewohner kam zur Tür und schaute heraus. Von meinem höhergelegenen und dreihundert Schritte entfernten Beobachtungspunkt auf der anderen Seite des Flusses blickte ich ihm ins Gesicht.
    Entweder war er ein großer Mann oder die Türöffnung war niedrig. Oder beides. Blondes Haar und Bart, wie ein Nordmann. Er stieg aufwärts, als er die Hütte verließ, also lag deren Fußboden tiefer als die Erdoberfläche drau ßen; die Behausung war in den Hügel gegraben. Er hob den Kopf, lauschte wie ein Wolf oder Schakal nach Geräu schen, der das entfernte Heulen von Artgenossen hört, dann wandte er den Kopf über die Schulter, und eine zweite Gestalt kam zum Vorschein, kleiner und dunkler. Aus der Entfernung konnte ich nicht mehr erkennen. Der Mann machte eine Armbewegung, lief zum Ziegenpferch, trieb die Tiere heraus und in seine Hütte, folgte ihnen hinein und schloss die Tür. Sicherlich war es meine Einbildung, aber ich war überzeugt, den metallischen Klang des Fallriegels hinter ihr zu hören. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass er einen Bogen hatte und in diesem Augenblick durch eine Schießscharte herausspähte. Er hatte wie ein Mann ausgesehen, der sich zu behaupten weiß. Kein Zögern, keine unnötigen Bewegungen: schnell und entschlossen. Ich spürte kein Verlangen, hinüber zugehen und an seine Tür zu klopfen, solange ich nicht wusste, dass er keine Armbrust hatte. Ein gutes Verfah ren, einen Bolzen durch die Rippen zu bekommen, mit oder ohne Rüstung.
    Das Fuhrwerk erreichte den Fluss und die Zugochsen steckten ihre Mäuler ins Wasser. Raol nahm den Bogen von der Schulter, legte den Treiberstock aus der Hand und löste dann sorgfältig und in voller Sicht des Hauses die Bogensehne. Dann legte er sie und den Köcher ins Fuhrwerk, ging mit leeren Händen zum Flussufer und blieb dort stehen. Er war noch ungefähr achtzig Schritte vom Haus entfernt.
    »He da, im Haus!«, rief er, und das Echo kam vom Hügel zurück.
    Stille. Zehn Herzschläge. Dann, undeutlich: »Selber he da.«
    Raol legte die Hände an den Mund. »Friede. Wir wol len nur durchziehen. Aber wir werden Getreide kaufen, wenn Sie wollen.«
    Pause. Dann: »Vielleicht. Aber vorher alle Waffen auf den Wagen. Steigen Sie ab und kommen Sie zu Fuß he rüber. Halten Sie die Hände vom Körper weg. Führen Sie Ihre Zugochsen bis zum Pferch und halten Sie dort an.«
    Raol wandte sich um, ging zurück zum Fuhrwerk und sagte etwas zu Ruane. Die Reiter saßen ab. Ruane legte den Kopf auf die Seite, um zu hören, was Raol sagte, dann nickte er. Der andere bestieg den Kutschbock, machte mit einer Hand eine kreisförmige Bewegung über dem Kopf, dann zog er sie zweimal mit einer scharfen Abwärtsbewegung bis in Schulterhöhe: Es war das Zeichen für die flan kierenden Gruppen, zum Fuhrwerk zu kommen.
    Wir trabten hinunter, saßen ab und banden unsere

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