Dunkler Winter
Fuß ist kein Sport, den ich ausprobieren möchte.
Wir sattelten unsere Pferde und saßen einer nach dem anderen auf. Eine weitere Woche in Wind, Kälte und Regen stand uns bevor, bis wir die Passhöhe erreichten, und nur Schwester Winterridge wusste, wie lang die Reise danach andauern würde. Sie wartete abseits und in steinernem Schweigen, während wir uns beim Bauern verabschiedeten.
Die Frauen kamen wieder heraus, diesmal mit Bier. Das Mädchen hatte sich eine Schürze aus buntem Stoff umgebunden, die ihre Taille einschnürte, und lächelte Gross zu, einem der Söldner, als sie ihm den Becher reichte. Das genügte ihm. Er beugte sich aus dem Sattel, hob sie mit einem Arm hoch und küsste sie auf den Mund, bevor er sein Bier hinunterstürzte und sie wieder losließ. Er wischte sich den Mund mit dem Ärmel und grinste breit, als sie sich verwirrt zurückzog. Und plötzlich war alles anders.
Ihr Kopftuch verrutschte; vielleicht war der Knoten unter dem Kinn nicht fest genug gewesen, und sie hatte die Hände voll. Es löste sich, und im Nu hatte der Wind es erfasst und mitgenommen, und sie stand barhäuptig.
Wirklich barhäuptig. Ihr Schädel war kahl bis zum Hin terkopf, wo der sorgsam gepflegte Zopf wuchs, und er war gefurcht. Ich starrte ungläubig hin. Plötzlich hatte das unbestimmte Unbehagen, das ich im Umgang mit diesen Leuten gespürt hatte, einen Grund gefunden; ich blickte in das Gesicht eines Kobolds.
Sie ließ die Becher fallen, bedeckte den Kopf mit den Händen und zog sich in gebückter Haltung Schritt für Schritt zur Tür zurück. Ihr Vater und wir alle standen wie versteinert. Nur ihre Mutter war sofort in Bewegung und eilte zu ihr, stieß die Jüngere hinter sich und riss ihr ei genes Kopftuch herunter, sodass wir das Blutrot ihrer Augen sehen konnten. Sie war kahl wie ein Ei, mit brei tem Mund und dicken Brauen, und die Haut, die wir bloß für wettergegerbt gehalten hatten, zeigte sich jetzt stumpfrot und in der Kälte etwas purpurn verfärbt.
Ein Kobold.
Der Bauer erwachte aus seiner Erstarrung und griff zu der Armbrust, die er an die Wand seiner Behausung ge lehnt hatte. Gleichzeitig lief sein Sohn wie ein Hase zum Haus und verschwand im Eingang. Schwester Winterridge stieß einen hellen Ruf aus, und ich hörte das Wispern von Stahl und Leder, als sie das Schwert zog. Raol, der auf dem Karren stand, bückte sich nach etwas, und wir anderen blieben, wo wir waren, nutzlos und verblüfft.
Die Schwertjungfrau saß ab und rannte mit gezogenem Schwert auf die Koboldfrau zu. Ihr Gesicht war zu einer starren Maske verzerrt. Schon holte sie zum Schlag aus. Die kleine Koboldtochter, die sich ängstlich hinter ih rer Mutter duckte, sah sie mit entsetzt geweiteten Augen kommen. Wir verfolgten das Geschehen in schrecklicher Begeisterung.
Der Bauer hob seine Armbrust an die Schulter. Ein Bol zen lag in der Rinne, die Sehne war gespannt – und auf Schwester Winterridge in Anschlag. Aber Gross, der seine Tochter geküsst hatte, reagierte schneller. Er gab seinem Pferd die Sporen, dass es den hünenhaften Mann mit der Schulter rammte und zu Boden stieß. Die Armbrust ging los, und der Bolzen flog himmelwärts. Gross sprang aus dem Sattel, den Dolch in der Hand. Schwester Winter ridge war weniger als fünf Schritte von der Koboldfrau entfernt, und noch immer konnte ich nichts tun; noch immer saß ich wie ein nichtsnutziger Dummkopf starr im Sattel.
»Halt!«, brüllte eine gewaltige Stimme. Wir fuhren herum und sahen Raol auf dem Karren stehen, den Lang bogen voll durchgezogen und den Pfeil auf den gepan zerten Rücken der Schwertjungfrau gerichtet. Sie sah über die Schulter und die Koboldfrau schlüpfte davon.
»Halt, sage ich. Friede – habe ich gesagt, und Friede wird sein. Auch du, Gross. Lass den Dolch fallen oder ich hefte dich an dein Pferd.«
»Und das sage auch ich«, erklärte Silvus und zog das Schwert. Er war aus Prinzip immer gegen eine Schlägerei. Sein Verhalten gab für mich den Ausschlag.
»Und ich«, sagte ich und lenkte mein Pferd zwischen die Frauen. Schwester Winterridge sah mich an, als ob ich den Verstand verloren hätte. Ich erwiderte ihren Blick mit einem ganz ähnlichen Ausdruck.
Die Tür knarrte. Der Junge stand dort, eine zweite Armbrust an der Schulter. Er zielte auf Gross, der über seinen Vater gebeugt stand, den Dolch in der Hand. Der Abstand betrug fünf Schritte und der Junge hatte den Fin ger am Abzug.
Der Bauer sagte etwas, zwei Worte in einer rauen Spra che.
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