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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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sagte ich einmal, und es ist wahr.«
    »Ein gigantisches Werk. Eine gewaltige Arbeitsleistung.«
    »Ja. Und eine Hand voll Verteidiger könnte die Festung gegen eine Armee halten. Wir werden mehr als eine Hand voll haben, aber dem Dunkel wird seinerseits mehr als eine Armee zur Verfügung stehen. Ich wünschte, wir könnten sehen, wer dahintersteckt…« Sie presste die Lip pen zusammen.
    Themenwechsel, dachte ich, denn mein Fingerspitzen gefühl war durch ungezählte Verhöre von Übeltätern ver feinert. Auf dieser Linie war nicht viel aus ihr herauszu holen. »Was geschah dann?«, fragte ich.
    Sie zuckte ein wenig abwehrend die Achseln. »Dem Orden nichts. Die Abmachung wurde besiegelt, die Leute beschützt, die Festung erbaut…«
    »Und die Jahre, die Jahrzehnte und dann die Jahrhunderte vergingen, und vom Dunkel keine Spur.«
    »Richtig«, sagte sie, und wieder blickte sie forschend zu mir auf. »Sie haben es erraten.«
    »Vielleicht. Sehen wir, ob es stimmt, was ich denke. Lange Zeit waren die Leute dankbar, wie es sich gehört, und versorgten den Orden und arbeiteten für ihn, und ihre Töchter wurden in den Orden aufgenommen. Aber das Dunkel kam nicht. Und im Laufe der Zeit, vielleicht nach einer oder zwei Generationen, wurden die Landes bewohner – zumindest einige von ihnen – der Steuern und der Frondienste und der Abgaben müde und ärger ten sich über die Knappheit an heiratsfähigen Mädchen. Sie begannen sich zu beklagen.«
    Sie nickte, langsam und unwillig. So weit, so gut. Ich blinzelte in den Wind und versuchte meinen Pfad zu sehen. »Aber der Orden hat eine Festung zu erhalten. Und er hatte ein Abkommen mit den Leuten geschlossen, in das diese freiwillig eingewilligt hatten. Also…«
    »Es gab nicht viele Unzufriedene. Die meisten blieben gern…«
    Ich machte eine besänftigende Handbewegung. »Das bezweifle ich nicht. Aber es gab einige. Es gibt immer ei nige. Und wenn die Steuern und Abgaben westlich der Berge hoch sind, gibt es östlich davon genug freies Land.«
    Ich blickte umher. Die niedrigen Hügelketten lagen im späten Licht, der Fluss rauschte leise und gleichförmig über die Steine in seinem Bett und wand sich nach Süden der See entgegen. Es war gutes Land. Die Winter waren vielleicht kalt und auch ein wenig öde, aber es war nutzbares, freies Siedlungsland. Man konnte es be bauen und sein ganzes Leben hier verbringen, und im Umkreis von hundert Meilen gab es nicht einen Steuer einnehmer.
    Ich streckte den Arm in einer umfassenden Gebärde aus und drehte mich um meine Achse, und als ich wieder in ihr Gesicht sah, beobachtete sie mich und nickte.
    »Ja«, sagte sie. »Sie haben es erkannt. Die Leute machen sich heimlich davon. Wir lassen sie gehen, aber am Pass unterhalten wir eine Sperrfeste an der engsten Stelle des Weges. Sie dürfen passieren, aber wir rasieren ihnen die Köpfe und tätowieren die Kopfhaut. So sind sie Ausgestoßene, die niemals zurückkehren dürfen.«
    »Aber die meisten bleiben, sagten Sie. Die Herrschaft des Ordens ist zweifellos gerecht, aber sie lastet schwer auf den Menschen.«
    »Die meisten bleiben, ja.« Sie runzelte die Brauen. »Manchmal habe ich meine Zweifel. Es läuft darauf hinaus, dass die tatkräftigsten und wagemutigsten Leute weggehen, weil wir sie hinausdrängen. Das kann nicht gut sein.«
    »Und dieser Mann?« Ich nickte den Hang hinauf zum Haus. »Sie kannten ihn?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber er spricht den Dia lekt der Leute vom Fluss, also hat er eine Schule des Ordens besucht. Vielleicht war er ein Waffenträger.«
    »Waffenträger?« Ich wollte, dass sie weiterspreche.
    »Eine… Hilfskraft. Ein Milizionär.«
    Sie schien widerwillig und sprach zögernd. Es war das erste Mal, dass ich sie zaghaft angesehen hatte.
    »Dann erlauben Sie Männern das Tragen von Waffen?«
    Sie richtete sich aus ihrer kauernden Haltung auf. »Nein. Ja. Nun, wir erlauben einigen Männern das Tra gen von Waffen. Und Ordensschwestern dürfen heiraten, wenn sie nicht die vollen Gelübde abgelegt haben. Viele tun es.«
    Sie schlug den Blick nieder und betrachtete ihre Hände. Am vierten Finger der Linken trug sie unter dem schweren Panzerhandschuh einen einfachen silbernen Ring, den ich schon öfter gesehen hatte. Ich folgte ihrem Blick, dann sah ich weg, hinauf zu den anderen. Ich tat es, weil ich dachte, ich sei in ihre Privatsphäre eingedrungen, aber was ich sah, als ich zum Haus hinaufschaute, machte mich stutzig, und ich kniff angestrengt

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