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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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Die Armbrust zielte auf den Söldner. Der richtete sich ganz langsam auf, hielt den Dolch zwischen Daumen und Zeigefinger, die Spitze nach unten gerichtet. Lang sam streckte er den Arm und ließ die Waffe fallen. Das stumpfe Ende der Armbrust mit dem aufgelegten Bolzen hob sich ein wenig.
    Raols Arm ließ der Bogensehne wieder etwas Spiel. Die Spannung in der Luft löste sich.
    »Das ist Wahnsinn. Und Blasphemie.« Schwester Win terridge hatte eine Stimme, die sich schlecht für ein hei seres Zischen eignete. »Sie, de Castro, haben gegen das Dunkel gekämpft. Wie können Sie dies erlauben? Dies sind Kobolde, Kreaturen des Dunkels. Machen Sie jetzt gemeinsame Sache mit ihnen?«
    Silvus musterte sie grimmig. »Ich sage Ihnen, dass es hier kein Dunkel gibt. Glauben Sie einfach, dass ich es weiß.«
    Sie schüttelte zornig den Kopf. »Kein Dunkel? Immer haben diese… Bestien auf seiner Seite gekämpft. Was sind sie, wenn nicht seine Agenten?«
    »Seine Opfer, Schwester. Nicht mehr als das.« Der Bauer kam auf die Beine und schüttelte müde den Kopf. »Genauso wenig seine Agenten wie unsere eigenen Toten.«
    Sie wandte den Kopf und funkelte den Bauern verächt lich an. »Wer sind Sie, dass Sie zu mir sprechen, Verräter? Einer, der mit Tieren Unzucht treibt, wie können Sie es wagen…?«
    »Mit Tieren?« Er winkte seiner Frau und Tochter, und die beiden suchten Zuflucht im Schutz seines Armes. »Kaidee ist mehr ein Mensch, jawohl, und mehr eine Frau als Sie jemals eine sein können, Sie flachbrüstiges Gestell von Jungfräulichkeit!«
    Seine Stimme dröhnte wie eine Posaune, und Schwester Winterridges Gesicht lief rot an. Sie bebte vor Zorn. Einen Augenblick lang dachte ich, sie würde mich umgehen und sich auf ihn stürzen, aber nach einem langen Au genblick stieß sie das Schwert in die Scheide, kehrte dem Bauern den Rücken und wandte sich in eisigem Ton an Silvus. »Mein Gelübde verlangt von mir, dass ich das Schwert nur in Selbstverteidigung ziehe, oder gegen das Dunkel. Sie sagen, hier gebe es kein Dunkel. Gut, dann lassen Sie uns gehen. Der Ort beleidigt mich.« Sie schritt zu ihrem Pferd, zog es herum, saß auf und trabte davon. Der Bauer sah ihr mit bitterem Lächeln nach. »Ja, gehen Sie nur«, rief er ihr zu. »Ich habe mein Wort gehalten, und Sie halten an Ihrem Glauben fest. Gehen Sie heim zu Ihrem Steinhaufen am Meer und halten Sie Ihre Jungfräulichkeit hoch wie ein Banner. Wir anderen werden weiter versuchen, die Welt zusammenzuflicken.«
    Sie gab nicht zu erkennen, dass sie es gehört hatte.
    Wir trotteten ihr nach, verlegen und schweigend. Die Familie des Siedlers stand im Wind vor ihrer ärmlichen Behausung und sah uns nach.

KAPITEL 9
    Die Berge rückten allmählich näher, wenn wir sie denn durch die aufreißenden, sturmverwehten Wolkenbänke sehen konnten. Sie hatten ihre Schultertücher aus Schnee schon angelegt und ließen sie weit herabhängen. Mit unguten Gefühlen beobachteten wir die Kette der zerklüfteten, eisgepanzerten Berg gestalten. Die Zeit wurde knapp. Unter der Plane des Karrens spannten wir Leinen zwi schen den Pfosten und hängten unsere nassen Kleidungsstücke zum Trocknen daran auf. Die tägliche Marschleistung wurde herauf gesetzt. Der Wettlauf mit dem früh einsetzen den Winter drohte verlorenzugehen, wenn es nicht gelang, ihm im Endspurt eine Nasen länge Vorsprung abzugewinnen. Schwester Winterridge beobachtete die hohe, dünne Wolkendecke, die am Nachmittag aufgezogen war, und schüttelte den Kopf.
    Ich weiß nicht, wie sie den Kurs bestimmte. Schließlich waren wir jetzt in ihrer Hand. Vielleicht sah sie die Formen der Gipfel vo raus – und die Wasserläufe, die wir überquer ten. Sie sagte es nicht. Sie blieb, wie sie immer gewesen war, von kühler Höflichkeit, distan ziert, meistens still, immer wortkarg. Nicht gleichgültig; sie drängte vorwärts und verlangte sich viel ab, und wir hatten Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Die Pferde zeigten erste Anzeichen von Erschöpfung. Um sie zu entlasten, legten wir Teile unserer Rüstungen ab.
    Wir kamen in den Nadelwald, der die unteren Talhänge der Berge bedeckte, aber bald blieb der Saum von Fichten und Kiefern zurück und wurde von lichtem Lärchenwald abgelöst, dessen Nadeln sich bereits gelb gefärbt hatten. Das Gelände stieg weiter an, wurde felsiger und rauer. In den Vorbergen kommt es darauf an, die Zugangstäler und gleichmäßigen Anstiege zu finden, damit erschöp fendes Auf und Ab vermieden werden kann.

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