Dunkles Begehren
weiß nicht, ob ich dem zustimmen kann, doch sicherlich hast du nun genug
Abenteuer erlebt, bis wir das nächste Mal erwachen.«
»Du musst dich
daran gewöhnen, von Tagen und Nächten zu sprechen«, berichtigte sie ihn sanft.
»Wir befinden uns im Computerzeitalter. Es ist erschreckend, wie schnell
Informationen ausgetauscht werden können. Du warst lange Zeit fort. Zwar weiß
ich, dass du dir sehr viel Wissen in kürzester Zeit aneignen kannst, doch die
Technologie macht es uns schwerer, uns vor den Sterblichen zu verbergen. Du
bist an eine Welt gewöhnt, in der von den Sterblichen keinerlei Bedrohung
ausging, doch das hat sich nun verändert.« Ohne darüber nachzudenken, verschränkte
Francesca ihre Finger mit den seinen, während sie ihren Weg fortsetzten.
»Ich gestehe, dass
ich die Sterblichen niemals für eine Bedrohung gehalten habe. Man kann sie
sehr leicht kontrollieren.«
»Du klingt sehr
eingebildet, Gabriel, obwohl ich weiß, dass du es nicht so meinst. Unser Volk
befindet sich in einer verzweifelten Situation, wir sind dem Untergang
geweiht. Ich habe im Laufe der Zeit immer wieder versucht, Neuigkeiten in Erfahrung
zu bringen, also weiß ich ungefähr, was vor sich geht. Es gibt einige
sterbliche Frauen, die über stark ausgeprägte übersinnliche Fähigkeiten
verfügen und sich als Gefährtinnen für Karpatianer eignen. Die Gefährtin unseres
Prinzen war einst eine Sterbliche.«
Gabriel schwieg.
Unwillkürlich suchte er die Verbindung zu seinem Bruder, um ihm diese
Information mitzuteilen. Mühelos fand er den telepathischen Pfad, den er seit
beinahe zweitausend Jahren benutzte. Lucian konzentrierte sich auf einen Text,
der ihn faszinierte. Es erstaunte Gabriel immer wieder, dass Lucian nie seinen
Wissensdurst verloren hatte. Jetzt revanchierte er sich bei Gabriel und teilte
ihm alles mit, was er über die moderne Welt gelernt hatte. Der Ansturm der
Information war so heftig, dass Gabriel lachen musste.
»Was ist denn?«,
fragte Francesca leise, als sie den Ausdruck echter Zuneigung in seinen Augen
bemerkte.
Sofort unterbrach
Gabriel den Kontakt und fluchte kaum hörbar in der uralten Sprache seines
Volkes. Warum war er so unvorsichtig gewesen? Nie zuvor hatte ihm die tief
verwurzelte Gewohnheit, die Verbindung zu seinem Bruder zu suchen, etwas
ausgemacht. Selbst nachdem Lucian der Finsternis anheimgefallen war, hatte
Gabriel nicht dagegen angekämpft. Wozu auch ? Je mehr sie voneinander wussten,
desto leichter konnte Gabriel seinen Bruder aufspüren. Doch nun hatte sich
alles verändert. Jetzt würde seine Unvorsichtigkeit Francesca vielleicht das
Leben kosten. Im Laufe der letzten Jahrhunderte hatte Gabriel immer wieder
gegen Lucian gekämpft. Mehr als ein Mal hatte er seinen Bruder beinahe tödlich
verletzt, doch es war ihm nie gelungen, Lucian wirklich zu vernichten. Daher
gab es keinen Grund anzunehmen, dass der nächste Kampf anders ausgehen sollte.
Nur konnte er sich keine Fehler mehr leisten. Lucian durfte nichts von
Francescas Existenz erfahren.
»Was ist denn?«,
wiederholte Francesca und schüttelte Gabriels Arm. »Eben hast du noch glücklich
gelächelt, jetzt siehst du aus wie ein Wolf auf der Jagd. Was ist geschehen?«
Ihre Stimme klang sanft und hypnotisch, eine Mischung aus Sorge und Mitgefühl.
Gabriel schüttelte
den Kopf. »Ich habe immer wieder Fehler begangen. Selbst die Jahrhunderte der
Ruhe haben daran nichts geändert. Es verwirrt mich, plötzlich Gefühle zu
empfinden und Farben zu sehen. Alles ist so hell und lebendig. Die Gefühle
überwältigen mich, sodass es mir schwerfällt, sie zu kontrollieren. Außerdem
ist da die immerwährende Sehnsucht nach dir.«
Gabriel klang so
nachdenklich und sachlich, dass Francesca glaubte, er führe ein Selbstgespräch.
»Ich habe den
Vampir in deine Nähe gelockt, das weißt du doch.« Gabriel fuhr mit der Hand
durch sein dichtes, blauschwarzes Haar. »Jahrhundertelang ist es dir gelungen,
dich zu verstecken, doch jetzt habe ich die Aufmerksamkeit eines Untoten auf
dich gelenkt, und er wird nicht der einzige bleiben, der nach dir sucht.«
Gabriel blieb
stehen und sah Francesca an, die Hand zärtlich in ihren Nacken gelegt. »Ich
hätte dich niemals ohne dein Einverständnis an mich binden dürfen. Deine
Sicherheit hätte mir mehr bedeuten sollen als meine eigenen Bedürfnisse. Ich
habe dir etwas Unverzeihliches angetan.«
Francesca berührte
seine Lippen. Seine Worte und die Aufrichtigkeit in seiner Stimme verwirrten
sie. Sie
Weitere Kostenlose Bücher