Dunkles Begehren
die
Straße ein, die zu Francescas Haus führte.
Das Haus gefiel ihm
und schien ihn willkommen zu heißen. Zu Hause. Dies war sein
Zuhause. War es tatsächlich möglich, dass er eines Tages eine Familie haben
würde ? Würden sie hier miteinander leben und gemeinsam ihr Kind aufziehen?
Sich um Skyler kümmern? Würde Francesca ihn jemals lieben? Sie begehrte ihn,
ihr Körper sehnte sich nach ihm, doch würde sie ihn lieben? Ihm verzeihen?
»Du wirst immer
sehr still, wenn du an ihn denkst«, flüsterte Francesca. »Ich spüre deinen
Schmerz. Doch wenn ich die Verbindung zu dir aufnehme, denkst du nur positive
Dinge über Lucian. Er muss ein außergewöhnlicher Mann gewesen sein.«
»Es gibt keinen
zweiten wie ihn. Er war ein meisterhafter Kämpfer. In keiner Schlacht musste
ich mich je umdrehen, um nach ihm zu suchen, sondern wusste immer, dass er für
mich da sein würde. Lucian war eine Legende. Im Lauf der Jahrhunderte rettete
er zahllose Leben, Sterbliche und Karpatianer. Niemals vernachlässigte er seine
Pflicht. Niemals. Wir standen einander nahe, Francesca«, gab Gabriel leise zu.
»Sehr nahe.«
Sie ging auf die
Haustür zu. »Erzähle mir von ihm. Vielleicht hilft es dir, deine Erinnerungen
mit mir zu teilen. Ich weiß, dass du es nicht gern tust. Du glaubst, dass es
Lucian gegenüber nicht loyal wäre. Doch ich würde mir niemals anmaßen, über ihn
zu urteilen. Du hast ihn geliebt und bewundert, also werde auch ich so
empfinden.«
Gabriel öffnete die
Haustür und ließ Francesca den Vortritt. Immer wieder suchte er telepathisch
die Umgebung ab. Es war eine alte Angewohnheit, die ihm sein Bruder beigebracht
hatte. Plötzlich fühlte sich Gabriel vom Kummer überwältigt. »Manchmal glaube
ich, dass ich ihn längst hätte töten können. Doch ich kann mir einfach keine
Welt ohne Lucian vorstellen.
Vor langer Zeit gab
ich ihm mein Wort, ihn unschädlich zu machen, falls er seine Seele verliert.
Das Versprechen beruht auf Gegenseitigkeit. Wenn sich einer von uns beiden in
einen Vampir verwandeln sollte, sollte der andere ihn jagen und vernichten.
Doch ich war bislang nicht in der Lage, mein Versprechen zu halten. Oder will
ich es gar nicht, Francesca?« Gabriel klang verloren und sehr einsam.
Francesca schloss
die Haustür, um die ersten Sonnenstrahlen am Himmel auszuschließen. »Nein,
Gabriel, du hättest dein Versprechen gehalten, wenn es dir möglich gewesen
wäre. Und ich weiß, dass es dir eines Tages gelingt. Du wirst deinem Binder
alle Ehre machen.«
»Lucian hat schon
sehr früh die Fähigkeit verloren, Gefühle zu empfinden, lange vor den anderen
Männern unseres Volkes. Und doch harrte er zweitausend Jahre lang aus. Ich
konnte noch viel länger etwas empfinden als er, also verband er sich manchmal
mit mir, um meine Gefühle mitzuerleben. Ich kann es noch immer nicht fassen,
dass er sich in einen Vampir verwandelt hat. Ich habe die Spuren seiner Morde
untersucht und ihn sogar dabei gesehen. Doch es gibt einen Teil von mir, der
diese Dinge nicht akzeptieren will. Ich verstehe nicht, wie ein so starker
Mann, ein geborener Anführer, ein Schutzengel unseres Volkes, sich dazu
entschlossen haben kann, seine Seele für alle Ewigkeit an die Finsternis zu
verlieren.«
»Du liebst ihn,
Gabriel. Es ist nur natürlich, dass du ihn so in Erinnerung behalten möchtest,
wie du ihn einmal gekannt hast«, sagte Francesca leise. Sie nahm seine Hand und
führte ihn durchs Haus. »Ich muss meinen Anwalt anrufen und dafür sorgen, dass
er die notwendigen Papiere aufsetzt, damit ich die Vormundschaft für Skyler
übernehmen kann. Bevor wir uns zur Ruhe legen, müssen wir nach einer Familie
von Sterblichen suchen, der wir Skyler anvertrauen können, während wir
schlafen.«
Gabriel folgte ihr
ins Arbeitszimmer und hörte zu, wie sie ihrem Anwalt mit fester Stimme einige
Anweisungen erteilte. Sie gab dem Mann keine Chance, ihr zu widersprechen. Ihre
Stimme hatte einen hypnotischen Klang angenommen, und unwillkürlich half
Gabriel ihr dabei, ihren Willen durchzusetzen. Der Anwalt würde alles
innerhalb eines Tages erledigen. Niemand würde protestieren. Wer sonst
interessierte sich für Skyler Rose Thompson? Sie war eine Waise ohne
Angehörige. Francesca verfügte über Geld und Einfluss. Jeder Richter würde ihr
nur zu gern ihren Wunsch erfüllen.
Dann beobachtete
Gabriel sie konzentriert dabei, wie sie ihren Computer einschaltete und schnell
zu tippen begann. Die Möglichkeiten dieser neuen Technologie
Weitere Kostenlose Bücher