Dunkles Erwachen
an.
»Er hat seine Wirkung auf Frauen, ja«, gab sie zu und verdrehte die Augen. »Unsere Fotografin war in ihn als Motiv fast –verschossen.«
»Fotos?«, hakte Vanderbuildt nach. »Haben Sie die?«
Er hatte sich von der jungen Frau abgewandt und sah nach draußen, auf den Tafelberg, der weit über der Stadt thronte. Janet fuhr sich nervös durch die kurzen blonden Haare und schüttelte den Kopf.
»Nein, natürlich nicht. Alice hätte sie mir auch kaum gegeben. Ich kann wohl problemlos an Kopien kommen, aber …«
»Mmh, schlecht«, unterbrach Vanderbuildt sie. »Diese Frau könnte dumm genug sein, mir mit den Fotos Ärger zu bereiten.«
Er rief seine Sekretärin. »Kirsten, geben Sie mir den Sicherheitsdienst. Werkspionage.« Er strich sich mit den Fingern durch den grau melieren Backenbart und blickte in Gedanken versunken nach draußen.
»Aber warum will er denn nicht, dass die Bilder erscheinen? Ich würde gerne wissen, wo Talon wohnt«, wandte sich einer der Jungen an seinen Vater, der sich inzwischen auch zu den Zuhörern gesellt hatte. Dieser strich seinem Sohn zärtlich über das kurz geschorene Haar und drückte ihn leicht an sich.
»Es ist besser, wenn der Talon in Abgeschiedenheit lebt, Sohn«, erläuterte er ihm.
Der alte Erzähler nickte zustimmend, während er einen Schluck Wasser zu sich nahm, um seiner ausgetrockneten Kehle etwas Linderung zu verschaffen, und fuhr fort.
»Nun, und das war ein Problem, denn die Fotografin … sie hatte wahrlich viele Bilder von Talon gemacht!«
Die kleine Kammer war erfüllt vom Rotlicht der Lampe, die von der Decke hing. Quer durch den Raum war eine lange Schnur gespannt, an der mehrere Klammern befestigt waren. Normalerweise hängte Alice Struuten ihre Bilder an den Tafeln an der Wand auf. Doch diesen Platz hatte sie bereits völlig ausgenutzt, und so musste sie auf das zurückgreifen, was sie »Wäscheleine« nannte.
Sie schloss die Klammer vorsichtig um einen der feuchten Abzüge und griff dann zur Zange, um das nächste Papier aus der flachen Wanne zu ziehen, die mit Fixierflüssigkeit gefüllt war.
Trotz der röhrenden Lüftung herrschte eine stickige Luft in dem kleinen Raum. Die dünne Kleidung der brünetten Frau hing durchgeschwitzt an ihrem Körper. Bereits seit Stunden zog Alice eine Aufnahme nach der anderen von den Speicherchips und entwickelte sie auf altmodische Weise. Bislang hatte sie sich nur ein, zwei kurze Pausen gegönnt.
Sie summte zufrieden vor sich hin und betrachtete die Reihen der bereits fertigen Abzüge, die im Halbschatten nur schwer zu erkennen waren.
»Sieht ganz gut aus«, war sie mit sich selbst im Reinen. »Ich hatte schon Angst, die Speicherkarten überleben die Reise nicht.« Sie schwenkte den Abzug noch einmal durch die Flüssigkeit, dann zog sie ihn heraus und ließ ihn abtropfen. Die Aufnahme zeigte einen halb nackten Mann, der einen mannslangen Speer begutachtete.
»Ah, gut siehst du aus!«, stellte sie begeistert fest. »Das wird eine nette Fotosafari!«
Sie hatte bereits eine befreundete Redakteurin angerufen und ihr einen möglichen Artikel angeboten. Wobei sie viele Details vorerst verschwiegen hatte. Sie wusste genau, dass ihr niemand die Erlebnisse glauben würde, wenn sie nicht zumindest ein paar Bilder als Beweis vorlegen konnte. Und sie war sich nicht sicher, wem sie diese Fotos überhaupt zeigen wollte.
»›Tarzan brüllt wieder‹?«, überlegte sie sich einen Titel für den Bericht und schüttelte sofort den Kopf. Alice hängte das Foto an der Leine auf und wischte sich die Hände an einem Lappen ab.
»Du wirst uns berühmt machen, wilder Mann! Sie werden sich um dich reißen, wenn diese Bilder erschienen sind. Mit deiner Ruhe ist es dann erst mal vorbei!«
Noch während sie sich selbst zuhörte, musterte sie die Reihen der Bilder, die an den Wänden hingen. Ihr Blick wanderte von einer Fotografie zur nächsten. Ohne lange darüber nachzudenken, löste sie die Klammern und sammelte die feuchten Bilder ein. Das Gleiche machte sie mit den Aufnahmen an den Tafeln, bis sie alle Bilder in einem dicken Stapel zwischen ihren Händen hielt.
Alice trat auf den Abfalleimer aus Aluminium zu und ließ den gesamten Stapel darin verschwinden. Sobald sie hier aufgeräumt hatte, würde sie mit dem Eimer nach draußen gehen und ein kleines Feuer legen.
Sie hoffte nur, sie wusste, was sie da tat.
»Aber warum hat sie denn die Bilder alle weggeworfen?«, wollte Kabisu wissen. Sein älterer Bruder
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