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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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vorwärts stolpern und taumeln konnte, und überdies daran, daß Mister Wardle sich alle Augenblicke niedersetzte und die Zunge so weit herausstreckte, als es nur gehen wollte. Nichts als Halme ringsum; keine zwei Meter nach irgendeiner Richtung hin konnte ich sehen. Dazu glühten die Grasstengel wie Heizkörperröhren.
    Nach einer halben Stunde war ich soweit, daß ich aus der Tiefe meines Herzens wünschte, den Eber für immer in Ruhe gelassen zu haben, da stieß ich auf einen schmalen Pfad, der sich ansah wie ein Mittelding zwischen Eingeborenenfußsteig und Sauspur. Er war höchstens sechs Zoll breit, aber immerhin geeignet, mir zu meinem Zweck zu dienen. Das Gras wuchs hier ganz besonders dicht und dick, und wo der Pfad stellenweise verschwand, blieb mir nichts übrig, als mit den Händen vor dem Gesicht mich vorwärts zu zwängen, oder rücklings - um das Gewehr frei zu bekommen -, in das Gestrüpp zu dringen. Aber ich war froh, denn schließlich mußte der Pfad doch irgendwie ins Freie führen.
    Am Ende eines etwa fünfzig Meter langen, ein wenig erträglicher gewesenen Weges angelangt, blickte ich mich um, ehe ich mich entschloß, ein besonders dichtes Gestrüpp anzugehen, da bemerkte ich, daß mir Mister Wardle abhanden gekommen war. An sich schon ein ungemein frivoler Hund, hatte er offenbar meine Fährte verloren. Ich rief ihn dreimal und sagte dann laut: »Wo das kleine Biest nur stecken mag?« Ich ging ein paar Schritte zurück, da wiederholte, dicht vor meinen Füßen, eine tiefe Stimme: »Wo das kleine Biest nur stecken mag?« Um richtig einschätzen zu können, was es heißt, die Stimme eines unsichtbaren Sprechers zu hören, muß man sich in dem steifen Gras eines Dschungels verirrt haben! Wiederum rief ich Mister Wardle, und jedesmal half mir das unterirdische Echo dabei. Da ließ ich das Schreien bleiben und horchte aufmerksam; siehe da: ich hörte einen Menschen lachen, und zwar in einer geradezu beleidigenden Weise. Die Hitze machte mich schwitzen, das Gelächter aber schaudern. Es ist doch wahrhaftig nicht nötig, daß jemand im dichten Dschungel lacht! Erstens ist es unschicklich und dann eine Anmaßung sondergleichen! Plötzlich verstummte es, und ich faßte Mut und fing wieder an, zu rufen, bis ich mir einbildete, die Stelle unter oder zwischen den Riesenhalmen ausfindig gemacht zu haben, wo das Echo wohnte. Es kam aus dem Gestrüpp, in das ich hatte eindringen wollen, bevor ich Mister Wardle verlor. Ich schob meine Flinte bis zum Drücker nach vorwärts und abwärts gerichtet zwischen die Grasstengel und wackelte damit hin und her. Aber ich konnte keinen festen Boden finden. Sooft dabei ein Geräusch entstand, so oft gab es das Echo unter der Erde zurück; stand ich jedoch still, um mir das Gesicht abzutrocknen, so ertönte wieder das tiefe Lachen; ich konnte mich darüber keinem Zweifel mehr hingeben.
    Das Gesicht voraus, den Mund offen und den Blick gespannt, und auf alles gefaßt, drang ich behutsam, Zoll für Zoll, in das Gestrüpp vor. Als ich den Widerstand des Grases glücklich überwunden hatte, sah ich mich einem tiefen, schwarzen Loch im Boden gegenüber, das heißt, besser: ich lag auf der Brust, über die Mündung eines Brunnens gebeugt, der so tief war, daß ich kaum das Wasser unten sehen konnte.
    Dunkle Gegenstände schwammen darauf; und das Wasser selbst war so schwarz wie Pech und stellenweise mit einem blauen Schaum bedeckt. Das lachende Geräusch kam von einer kleinen Quelle, die aus halber Höhe der Brunnenwand hinabsprudelte. Bisweilen, wenn die schwarzen Gegenstände, sich um sich selbst drehend, in die Nähe kamen, fiel der Wasserstrahl auf ihre trommelartig gespannten Häute, und dann ging das Lachen in ein fröhliches Prusten über. Plötzlich sah ich, wie sich eins der schwarzen Dinger auf den Rücken legte, rund um die bemoosten Brunnenwände kreiste, eine Hand und einen halben Menschenarm über die Wasserfläche emporgestreckt, als wolle mir ein bis zu Tode ermüdeter Führer die Schönheit der Umgebung weisen.
    Länger als eine halbe Stunde brauchte ich, um den Brunnen zu umkriechen und den Weg auf der andern Seite zu finden. Den Schluß der Reise vollbrachte ich damit, jeden Fußbreit vor mir vorsichtig abzutasten, mich vorwärts windend wie eine Schlange. Ich trug den wiedergefundenen Mister Wardle im Arm, und er leckte mir rastlos die Nase. Entsetzt war er keineswegs, nur wünschte er sichtlich, wieder freien Grund zu gewinnen, um die Aussicht besser genießen

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